Konzerne haben einen sitzen

Der jüngste Skandal um Lustreisen für Kommunalpolitiker ist nur ein Symbol für den sprichwörtlichen nordrhein-westfälischen Filz. Doch der Ruf nach strikter Trennung von Politik und Wirtschaft wächst

VON ANDREAS WYPUTTA

Vor dem Hintergrund des jüngsten „Lustreisen“-Skandals für Kommunalpolitiker wird die Forderung nach strikter Trennung von Politik und Privatwirtschaft immer lauter. „Berufspolitiker brauchen keine Sitze in Aufsichtsräten“, so der wirtschaftspolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Rainer Priggen, zur taz.

Die durch Ermittlungen der Kölner Staatsanwaltschaft aufgedeckten, von den Gasversorgern Eon-Ruhrgas und der RWE-Tochter Thyssengas bezahlten Trips von Kommunalpolitikern etwa nach Barcelona oder Rom seien nur ein weiterer Teil einer „Kette von Ereignissen“, kritisiert Priggen: „Am Anfang standen die Müllskandale rund um die RWE-Tochter Trienekens. Danach mussten die CDU-Politiker Laurenz Meyer und Hermann Josef Arens gehen, weil sie ohne Gegenleistung Hunderttausende von RWE kassiert haben.“ Und jetzt diskutiere die Öffentlichkeit um weitere mögliche Bestechungsfälle – eben um die von den Gasversorgern bezahlten Reisen etwa nach Spanien. „Gesellig“ seien die vor allem gewesen, so etwa der Chef der Essener CDU, Franz-Josef Britz, zum Nachrichtenmagazin Der Spiegel.

Doch nicht nur Britz, nebenbei auch Aufsichtsratsvorsitzender der Essener Stadtwerke und damit Vertreter eines Eon-Großkunden, profitierte von der Großzügigkeit der Konzerne. Im Aufsichtsrat des Essener Energieriesen RWE sitzt auch Essens CDU-Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger, ebenso wie sein Dortmunder Amtskollege Gerhard Langemeyer (SPD). Entsprechende Vergütungen von jährlich 75.087,17 Euro müssen beide erst seit 2005 an die Haushalte ihrer klammen Kommunen weiterleiten – lediglich 6.000 Euro dürften Landräte und Bürgermeister als Aufwandsentschädigung behalten, hatte der damalige SPD-Innenminister Fritz Behrens im Februar vergangenen Jahres klargestellt.

Reiniger beispielsweise dürfte das aber wenig kümmern: Als Oberbürgermeister erhält er auch Einnahmen von der Margarethe-Krupp-Stiftung, der Steag Fernwärme AG und der RAG – insgesamt über 27.000 Euro jährlich, natürlich zusätzlich zum üppigen Oberbürgermeistergehalt der Besoldungsgruppe B11 von derzeit rund 11.000 Euro im Monat.

Die RAG, die als einziger verbliebener deutscher Steinkohleförderer jährlich Subventionen in Milliardenhöhe einstreicht, unterstützt aber auch weitere hochrangige Politiker: Prominentestes Mitglied des Aufsichtsrats dürfte derzeit wohl der aus Bochum stammende Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sein. Doch auch Klaus Brandner, wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, besitzt in Berlin Einfluss – und sitzt wie Lammert im RAG-Aufsichtsrat. „Nordrhein-Westfalens Politiker haben immerhin den deutschen Sprachschatz bereichert“, lästert der Grüne Priggen bereits: „Der Begriff ‚politische Landschaftspflege‘ stammt schließlich aus NRW.“

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