Bücherchaos wird privatisiert

Schulbehörde sucht nach Unternehmen, das die Bücherbeschaffung abwickelt, zudem Leihbücher lagert, Rechnungen stellt und alljährlich neue Bücher nach Hause liefert. Um sein Überleben fürchtet der alarmierte lokale Buchhandel

von KAIJA KUTTER

Das im Sommer 2005 eingeführte Büchergeld, bei dem Eltern Bücher teils mieten, teils kaufen können, hat einiges an Stress und Mehrarbeit für Hamburgs Schulen verursacht. Um dies zu lösen, geht die Schulbehörde jetzt einen ungewöhnlichen Weg: In einer europaweiten Ausschreibung suchte sie bis zum 10. Januar nach Unternehmen, die die Buchbeschaffung vom Kauf und Verleih bis hin zum Eintreiben des Geldes übernehmen.

„Wir hatten bereits einen Pilotversuch mit drei Schulen“, berichtet Behördensprecher Alexander Luckow, bei dem die gesamte Abwicklung vom Grossisten Libri aus dem hessischen Bad Hersfeld und dem Hamburger Buchhändler Heymann übernommen worden sei. Die Schulen hätten „gute Erfahrungen“ gemacht, so Luckow. Geplant sei zunächst gewesen, das Modell in diesem Jahr an 30 Schulen auszuprobieren. Weil aber 90 Schulen Interesse hätten, würde man jetzt drei „Lose“ in dieser Größe vergeben.

Ein Vorteil des Modells sei, dass der Großhändler den Schülern die Bücher nach Hause liefere. Das „beliehene Unternehmen“, wie es im Amtsdeutsch heißt, schreibe auch Rechnungen und die erste Rechnungserinnerung. „Wenn es dann nicht klappt, gibt er es ab an unsere Behörde“, sagt Luckow.

In dem Ausschreibungs-Text, der der taz vorliegt, heißt es, die Stadt suche einen „bonitätsstarken“ Auftragnehmer als „Verwaltungshelfer“. Die Firma organisiere auch die Rückgabe der ausgeliehenen Bücher, sammle diese an den Schulen ein, lagere sie und versende zu Schuljahrbeginn neue Buchpakete an die Schüler. Rechnungen müssten auch für jene Eltern geschrieben werden, die nur Kopiergeld schuldig sind. „Fakultativ“ könnte das Unternehmen den Schulen auch bei der Auswahl der Lernmittel helfen. Zwingend nötig sei eine Kunden-Hotline.

Was sich nach paradiesischen Zuständen für Schulsekretariate anhört, ist für Hamburgs lokale Buchhändler ein Graus. Die Ausschreibung erfolgte reichlich kurzfristig erst kurz vor Weihnachten, und stellt derart hohe und teils ungenaue Anforderungen, dass es als ausgemacht gilt, dass der Großbuchhändler Libri zum Zuge kommt, gepaart mit einer großen Buchhandelskette als Aushängeschild.

„25.000 bis 30.000 Schüler zu versorgen, dass schafft nicht mal eine der ganz großen Buchhandlungen“, warnt ein Buchhändler aus Hamburg-Nord. Nötig wären extra Personal und eine Halle mit Packstraße für die Bücher. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das kostendeckend für einen Großhändler ist“, sagt auch der Buchhändler Erhard Schäfer. Die Mehrkosten müssten auf die Bücher aufgeschlagen werden. Zudem warnen die Buchhändler davor, dass der 15-prozentige Rabatt, den bisher die Schulen als Großbesteller erhalten hätten, durch das neue Verfahren gefährdet wird. Von diesem Rabatt profitierten jene Eltern, die die Bücher liehen.

In Wirklichkeit, so vermutet Schäfer, gehe es dem Großhandel darum, an die Adressen von Endkunden heranzukommen und den Einzelhandel auszubooten. Nicht zuletzt bangen die Buchhändler so um das eigene Überleben. Bislang wurden alle Schulbuchbestellungen von der Behörde auf 30 bis 40 „Lose“ mit je acht bis zehn Schulen verteilt. Durch diese Bündelung wurde die Hürde von 50.000 Euro für den Rabatt erreicht. Um diese „Lose“ konnte sich jeder Buchhändler bewerben und bekam im Schnitt alle zwei Jahre eines ab. Fällt der Millionen-Auftrag an ein Großhändler-Buchladen-Gespann, verlieren die Stadtteil-Buchläden, so befürchten diese, einen wesentlichen Beitrag zur Existenzsicherung.