Feilschen um den U-Ausschuss

Die Regierung will heute im Gespräch mit den Fraktionschefs eine Untersuchung der BND-Aktivitäten im Irak abwenden. Die Opposition hat unterschiedliche Interessen

BERLIN taz ■ In dieser Woche – vielleicht heute schon – wird sich wahrscheinlich entscheiden, ob es zur Aufklärung deutscher Geheimdienstaktivitäten im und rund um den Irakkrieg einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss geben wird oder nicht.

Heute Mittag werden sich hierzu die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen und die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums PKG mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) treffen. Abends wollen sich die parlamentarischen Geschäftsführer der Oppositionsfraktionen zusammensetzen.

Die Regierungsparteien haben nicht das geringste Interesse an einem langen und mühsamen Untersuchungsausschuss. Sie behaupten, die Geheimdienste würden beschädigt. Schäuble hat bereits erklärt, möglicherweise würde gar die nationale Sicherheit bedroht, wenn die US-Geheimdienste ihre Kooperation mit den Deutschen einstellten, weil in Deutschland ihre Arbeit vor einem Ausschuss und in den Medien diskutiert würde.

Das jedoch will zum Beispiel dem grünen PKG-Mitglied Christian Ströbele nicht einleuchten: „Natürlich kann das sein, dass die nationale Sicherheit berührt ist, aber die Aufklärung hat eben Vorrang“, sagte Ströbele zur taz. Im Übrigen glaube er nicht, „dass die 17 US-Geheimdienste nicht mehr mit uns zusammenarbeiten, nur weil es hier einen U-Ausschuss gibt. Die haben doch selbst ständig Untersuchungen ihrer Arbeit laufen. So etwas ist in den USA ein ganz normaler Vorgang.“

Das „Riesenproblem“ bei der Kooperation mit den US-Behörden liege ganz woanders, erklärte Ströbele: Dass in Deutschland wenig Aufklärung möglich ist, wenn die USA nur punktuell und nach Belieben Zeugen und Informationen zur Verfügung stellen. Daran war etwa vor zwei Jahren der Hamburger Prozess gegen den Terrorverdächtigen Abdelghani Mzoudi gescheitert. „Natürlich ist das schwierig, wenn die Amerikaner die ganze Sache mit drei Sätzen aufklären können, aber nicht wollen“, sagte Ströbele. Doch damit müsste nicht nur ein U-Ausschuss kämpfen.

Die Fraktionen von Grünen, FDP und Linkspartei werden ab heute an einem gemeinsamen Antrag für einen U-Ausschuss arbeiten – es sei denn, mittags bietet ihnen die Regierung sehr weitgehende Aufklärung an anderen Stellen an. Damit rechnet die Opposition jedoch nicht unbedingt. Der FDP-Innenexperte Max Stadler erklärte gestern auch, FDP und Linksfraktion wollten die Antragsverfassung nicht daran scheitern lassen, dass die Grünen ihre Antikriegspolitik als ehemalige Regierungspartei diskreditiert sähen. „Das wird nicht an einzelnen Formulierungen scheitern“, sagte Stadler.

Ob dem grundsätzlich eher moderat argumentierenden Stadler freilich sein Chef Guido Westerwelle folgt, sei dahingestellt. Sicherlich wird außerdem die Linksfraktion darauf drängen, die Glaubwürdigkeit der Antikriegslinie von Rot-Grün grundsätzlich in Frage zu stellen.

Der Streit um Sinn und Zweck eines U-Ausschusses hat bei den Grünen noch eine Nebenwirkung hervorgebracht, die von der Fraktionsspitze jetzt beschleunigt wird: die Abnabelung vom Exaußenminister und Leithammel Joschka Fischer. Dieser hatte in den vergangenen Wochen durch unabgesprochene Einlassungen zum Geheimdienstthema die Arbeit der neuen Grünenspitze nicht gerade erleichtert. In der Fraktionssitzung Anfang vergangener Woche stimmte Fischer als Einziger gegen einen U-Ausschuss und nutzte die Gelegenheit auch dafür, Parteichef Reinhard Bütikofer zu beleidigen.

Nun erklärte Fraktionschefin Renate Künast im Spiegel: „Ich gehe davon aus, dass Joschka Fischer im Laufe der Legislaturperiode sein Mandat niederlegen wird. Damit würde er auch seinen schönen Satz, er tausche Freiheit für Macht ein, endgültig mit Leben erfüllen.“ Das darf wohl als Aufforderung verstanden werden. ULRIKE WINKELMANN

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