Stadt der tausend Dämme

In letzter Minute regt sich breiter Protest gegen das Zuschütten der Niedernfelder Durchfahrt zum Spreehafen. Kritiker sehen künftiges Auswanderermuseum auf Abstellgleis geschoben, den Hafenverkehr gestört und die Verschlickungsgefahr erhöht

Die kleine Lösung ist zehn Millionen billiger – dafür fehlt das i-Tüpfelchen

Von Gernot Knödler

Die Niedernfelder Durchfahrt, der Nordosteingang des Spreehafens, ist ein neuralgischer Punkt, so zumindest sehen es GAL und SPD, die Hafenschiffer, Wilhelmsburger und Museumsvertreter. Die Durchfahrt ermöglicht eine direkte Barkassenverbindung zwischen den künftigen touristischen Highlights Hafencity, 50er Schuppen und dem Auswanderermuseum auf der Veddel, der Ballinstadt. Hier würden künftige Wassertaxen zwischen der Hafencity und Wilhelmsburg pendeln, und die Hafenschiffer könnten den strapazierten LKW-Verkehr entlasten. Heute berät der Haushaltsausschuss über die vom Senat vorgeschlagene Zuschüttung.

Zusammen mit der Müggenburger Durchfahrt zwischen Spreehafen und Müggenburger Zollhafen ist die Niedernfelder Durchfahrt Teil eines Wasserstraßenkreuzes direkt an der Veddel. Die beiden Passagen werden von zusammen zehn Brücken überspannt, die zum größten Teil 100 Jahre alt sind und ersetzt werden müssen. Kosten: schätzungsweise 47,3 Millionen Euro. Alternativ könnten die Brücken für rund zwölf Millionen Euro durch Dämme ersetzt werden – aus Sicht der Port Authority kein Schaden, denn nur selten tuckert eine Schute unter den Brücken durch.

Dumm nur, dass der Senat international mit der künftigen Ballinstadt am Müggenburger Zollhafen hausieren geht. Dämme in der Müggenburger Durchfahrt würden sie von der Innenstadt abschneiden. Die Verbindung zwischen dem als Hausboot-Liegeplatz gehandelten Spreehafen und der Veddel wäre damit durchtrennt. Als kleineres Übel sollen deshalb wenigstens die Brücken der Müggenburger Durchfahrt ersetzt werden. Das ist zehn Millionen Euro billiger, als auch noch die Niedernfelder Brücken zu erneuern.

Klaus Lübke, SPD-Bezirksabgeordneter in Mitte, hält diesen Kompromiss für faul. Er sei nichts Halbes und nichts Ganzes, berücksichtige den geplanten Sprung über die Elbe nicht und auch nicht die wachsende Bedeutung des Schiffsverkehrs im Hafen. Die Schiffer seien auf die Durchfahrt angewiesen, um nicht lange Umwege fahren zu müssen, sagt Hans-Wolf Gerlach vom Hafenschifffahrtsverband. Für Barkassen wäre es unattraktiv, die Ballinstadt anzufahren, wenn dafür Umwege in Kauf genommen werden müssten.

„Ich fürchte, dass der hohe Aufwand nicht den erhofften Erfolg haben wird, wenn das i-Tüpfelchen fehlt“, sagt Gert Hinnerk Behlmer, Vorsitzender des Beirats der Ballinstadt. Das Auswanderermuseum müsse in einer Reihe mit anderen Attraktionen angelaufen werden können. Die Kosten für die Brücken stünden in keinem akzeptablen Verhältnis zum Aufwand fürs Museum, findet die Wirtschaftsbehörde.

„Die Hafenlandschaft ist perspektivisch der wichtigste Imageträger für die Veddel und Wilhelmsburg“, argumentiert die Veddeler SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Carola Veit. Es gebe „keine Analysen darüber, welchen Schaden das Zuschütten für die Stadt- und Verkehrswegeentwicklung“ bedeute. Die Port Authority hält dagegen, sie plane stets langfristig. Auch die von den Kritikern unterstellte zunehmende Verschlickung sei nicht zu erwarten.