Nicht mehr als reiner Frostschutz

Überleben bei minus 12 Grad: Polizei und Feuerwehr sprechen Obdachlose an, die im Freien übernachten. Notunterkünfte sind in Hamburg ausreichend vorhanden, aber manche wollen nicht dorthin. Ein Problem ist die Rückkehr am nächsten Morgen

Von Kaija Kutter

Die Nacht von Sonntag auf Montag war mit minus elf Grad die bislang kälteste dieses Winters. Und dennoch trifft beispielsweise der Mitternachtsbus der Diakonie Menschen an, die auf der Straße übernachten. Polizei, Kirche und Feuerwehr bildeten in der Nacht einen Krisenstab, um zu überlegen, was zu tun sei. Notübernachtungsplätze gibt es nach einhelliger Auskunft von Behörden und Beratungsstellen genug (siehe Kasten).

„Es gibt Menschen, die Platte machen, um die müssen wir uns keine Gedanken machen“, berichtet Feuerwehrsprecher Peter Braun. Diese würden sich mit Isomatte, Schlafsack und mehreren Kleidungsschichten gegen die Kälte wappnen. Außerdem schliefen sie an geschützten Plätzen wie etwa Luftschächten, an denen es ein paar Grad wärmer sei. Ein Problem seien dagegen Menschen, die aufgrund von Alkoholexzessen ihre Lage nicht mehr einschätzen könnten. Braun: „Das ist dann der Punkt, an dem sie am nächsten Morgen erfroren aufgefunden werden.“

Um hier präventiv tätig zu werden, habe die Feuerwehr die Polizei gebeten, auf ihren Streifen die Augen offen zu halten. Auch die Busfahrer des HVV habe man mit einbezogen. Dass man einen Obdachlosen „einkassieren“ musste, sei in der ersten Kältenacht zum Montag aber nicht vorgekommen. In einem Fall hätte ein Mann in seinem Zelt ausgeharrt und sich an einem Camping-Gasfeuer gewärmt. „Der hat es abgelehnt mitzukommen“, berichtet Braun: „Da können wir nicht sagen, du musst weg.“

Die Unterkünfte des Winternotprogramms befinden sich in der Sportallee in Fuhlsbüttel (100 Plätze) und im PIK As in der Neustadt (190). Außerdem gibt es 85 Plätze in Wohncontainern bei zwölf Kirchengemeinden. Von 18.30 Uhr bis 21.30 Uhr fährt stündlich ein Pendelbus der Caritas ab Hauptbahnhof die Unterkünfte an. „Das Ansehen dieser Übernachtungsplätze ist besser geworden, seit sie nicht mehr auf den Wohnschiffen sind“, berichtet Caritas-Sprecher Timo Spiewak. Die Sportallee sei aber zu weit weg. Spiewak: „Die Frage ist, wie kommen die am nächsten Morgen zurück.“ Da es das Sozialticket nicht mehr gebe, bliebe nur Schwarzfahren oder zu Fuß zu gehen.

Für Menschen, die es nicht mehr zu diesen Unterkünften schaffen, gibt es laut Braun weitere 30 Plätze bei der Bahnhofsmission und bis zu 20 Schlafplätze in der Zentralambulanz für Betrunkene (ZAB) am Millerntor. Und sollte auch das nicht reichen, werde die Petri-Kirche in der City ihre Türen öffnen.

„Es gibt genug Plätze als Erfrierungsschutz“, bestätigt auch Sozialarbeiterin Judith Steeck von der Tagesaufenthaltsstätte TAS an der Bundesstraße, die die Plätze vermittelt. Dennoch gebe es viele Klienten, die es nicht aushielten, mit anderen in einem Raum zu schlafen. Steeck: „Die sagen, ich wohne lieber draußen, dann muss ich mich mit niemandem rumplagen.“

In den Unterkünften gebe es halt immer noch Alkoholprobleme und Aggressionen. Auch hielten manche die Mehrbettzimmer einfach nicht aus. „Wenn sie die erreichen wollen“, so die Sozialarbeiterin, „müsste es mehr Einzelcontainer geben.“ Doch davon gebe es nur zwei bis drei, die meisten Container werden zu mehreren bewohnt.

Diese Forderung erhoben Sozialarbeiter übrigens schon vor fünf Jahren, als im Kältewinter 2000/2001 zwei Menschen starben. Ein Mann erfror am 17. Dezember 2000 auf einer Parkbank. Ein anderer starb sieben Tage später in einem Zelt unter der Kennedybrücke an der Alster.