Einigkeit über alles

PARTEITAG Die SPD wählt in seltener Eintracht ihre BundestagskandidatInnen und Eva Högl zur Spitzenfrau. Vorbereite KandidatInnenliste vom Landeschef geht voll auf

■ 25 Demonstranten schenkten Pfeffi-Schnaps aus und riefen: „Ob friedlich oder nicht – Pfeffi ins Gesicht“. Als Polizisten merkten, dass die Aktion nicht zum Protest der zehn Polizeigewerkschafter vor dem SPD-Parteitag gehörte, wurden sie „wegen offensiver Störung“ kollektiv festgesetzt und Personalien aufgenommen.

■ Drinnen hatten die Jusos einen Antrag gestellt, den Einsatz von Pfefferspray auf Demonstrationen zu verbieten. Als sich draußen eine Protestlerin zu entfernen versuchte, wurde sie auch ins Gesicht geschlagen. Die Polizei bestätigte, dass gegen den Beamten ermittelt werde. Aber auch gegen die Frau: Sie zwei Polizisten verletzt.

■ Unter den Festgesetzten war auch Anne Meyer, Lichtenberger Juso-Chefin – und Autorin des Pfefferspray-Antrags der SPD. Sie sprach von einer „völlig unnötigen Polizeiaktion“. (ko)

VON KONRAD LITSCHKO

Dauerlächelnd sitzt der Mann mit der Glatze auf dem Podium, verteilt Blumensträuße, steckt seinen Kopf mit Fraktionschef Raed Saleh zusammen. Am Nachmittag weiß Jan Stöß: Sein Plan ist aufgegangen.

Als Letzte im Berliner Bunde kürte am Samstag die SPD ihre Bundestagskandidaten auf einem Parteitag im Neuköllner Estrel-Hotel. SPD-Landeschef Stöß hatte vorgesorgt: Schon im Vorfeld hatte er mit dem Parteivorstand eine feste Kandidatenlisten gestrickt – darauf nicht wenige Unterstützer seiner Wahl zum Vorsitz vor einem Jahr. Als „ausgewogen und fair“ bewirbt Stöß auf dem Parteitag noch einmal seine Liste, bittet um ein „Signal der Geschlossenheit“ für den Wahlkampf gegen Schwarz-Gelb.

Und die 225 Delegierten folgen. Als Spitzenkandidatin gesetzt war Eva Högl. Seit 2009 sitzt die 44-Jährige aus Mitte im Bundestag, profilierte sich dort zuletzt als NSU-Aufklärerin. „100 Prozent Einsatz“ verspricht Högl der Partei. Sie selbst erhält ein paar Prozentpunkte weniger: 77 Prozent der Delegierten wählen sie zur Nummer eins. Gegenkandidaten gibt es keine. Auch nicht beim Zweiten auf der Liste, Swen Schulz. 97 Prozent erhält der Spandauer aus dem linken Parteiflügel, seit 2002 im Bundestag.

Es ist der dritte Platz, an dem die Liste zu kippen droht. Gleich zwei SPD-Frauen treten gegen die im Vorfeld gesetzte Mechthild Rawert an. Ülker Radziwill bewirbt sich als Sozialpolitikerin, Ute Finckh-Krämer als Friedensengagierte. Beide unterliegen.

Das ist der Moment, in dem klar wird, dass der Stöß’sche Plan aufgeht. Radziwill kritisiert noch, dass „die Art und Weise, wie diese Liste aufgestellt wurde, nicht mit meinem Kreisverband abgesprochen war“. Den ihr zugeteilten Listenplatz 9, ohnehin aussichtslos, tritt sie nicht mehr an. Es bleibt der einzige Widerspruch. Alle anderen Plätze werden ohne Gegenkandidaten durchgewunken.

„Trotz aller Unkenrufe arbeiten Partei, Senat und Fraktion eng zusammen“

JAN STÖSS, PARTEIVORSITZENDER

Einig ist sich der Parteitag auch bei seinem Wahlkampfschwerpunkt: Mieten, Mieten, Mieten. Für ein soziales Mietrecht im Bund werde sie sich einsetzen, verspricht Spitzenkandidatin Högl. Nur mit der SPD, sagt auch Gastredner Peer Steinbrück, werde es eine Bremse für Mieterhöhungen von 10 Prozent geben. Den Kanzlerkandidaten kürte Landeschef Stöß kurzum zum „Kanzler der Mieten“.

Bei so viel Geschlossenheit darf Stöß auch Klaus Wowereit loben, der sich entspannt durch die Delegiertenreihen plaudert. Viel habe Berlin dem Regierenden zu verdanken, sagt der SPD-Chef. Machtambitionen wischt Stöß vom Tisch: „Trotz aller Unkenrufe arbeiten Partei, Senat und Fraktion als eine SPD eng zusammen.“

Zu guter Letzt outet sich auch noch Steinbrück als Berliner. Er habe ja jetzt eine Wohnung im Wedding, erzählt er, im gleichen Haus wie Eva Högl. „Das lässt schon ein paar patriotische Gefühle aufwallen.“ Steinbrück lobt die Hauptstadt als „kreatives Zentrum“, verurteilt das bundesweit gerade so beliebte „Berlin-Bashing“. Den Parteitag freut’s, es gibt Standing Ovations. Einigkeit allerorten.