Vom Staatsfeind Nummer eins zum Pazifisten

Belgrad würdigt verstorbenen Kosovo-Präsidenten Ibrahim Rugova. Nun ist von Anerkennung und Respekt die Rede

BELGRAD taz ■ Zu Lebzeiten war Ibrahim Rugova Staatsfeind Nummer eins in Serbien, als Anführer der Unabhängigkeitsbewegung der Kosovo-Albaner ein Dorn im Auge eines jeden serbischen Politikers. In Belgrad beschimpfte und verhöhnte man den „albanischen Separatisten“ und „Ganoven“. Postum wird er als „eigenartiger Friedensstifter“, als Pazifist geachtet, der Dank seiner Autorität militante albanische Gruppen bändigte und die im Kosovo lebenden Serben zu beschützen versuchte.

„Rugova habe ich als Politiker und langjährigen Anführer der Kosovo-Albaner respektiert. Ich bedauere seinen Tod aufrichtig, der ein großer Verlust für die Albaner im Kosovo ist“, verkündete Serbiens Präsident, Boris Tadić. Beileidstelegramme in ähnlichem Ton unterzeichnet von hohen serbischen Funktionären kamen nach dem Tod Rugovas in Priština an. Man sprach von einem „weisen“ politischen Gegner, der es mehrmals geschafft habe, die serbische Führung zu „überrumpeln“, die separatistische Bewegung der Kosovo-Albaner zu „internationalisieren“ und die Provinz in die Position zu bringen, mit der „Unterstützung“ der internationalen Gemeinschaft über die Unabhängigkeit zu verhandeln.

Der „Vater der Nation“ hat allerdings keine politischen Nachfolger hinterlassen. Und so überwiegt bei den im Kosovo lebenden Serben die Angst, ob sie bei dem bevorstehenden kosovo-albanischen Machtkampf zwischen die Fronten geraten. Nur zwei Tage nach seinem Tod ist den Serben klar geworden, dass sie in Rugova zwar einen politischen Gegner, jedoch keinen Feind hatten und sich nun die Lage für sie abrupt verschlechtern könnte.

Als bestimmend in der kosovarischen Politszene sieht die Chefin des Koordinationszentrums der serbischen Regierung für den Kosovo, Sanda Rasković Ivić, von „wenigen Ausnahmen“ abgesehen, albanische Politiker an, die der „Truppe der bewaffneten Demokratie“ angehören und ihre Chance wittern. Gemeint sind Ex-Kommandanten der Kosovo-Befreiungsarmee.

Auch die UNO-Verwaltung der Provinz ist besorgt. Die erste Gesprächsrunde zwischen Belgrad und Priština über den künftigen Status des Kosovo ist auf Februar verschoben. Zunächst müssen die Kosovo-Albaner einen Präsidenten und Leiter des Verhandlungsteams wählen – ein Prozess der länger dauern und durch die starke Animosität unter den albanischen Politikern blockiert werden könnte.

Vorübergehend übt Parlamentspräsident Nexhat Dhaci, die Präsidentschaft aus. Viel wichtiger für die Stabilität des Kosovo wird sein, ob eine „moderate“ oder eine „harte“ Fraktion die Führung von Rugovas Demokratischer Allianz (LDK) übernehmen wird. ANDREJ IVANJI