Jeder macht sein Ding

MUSEEN Beim Symposium „Zur Neuordnung der Berliner Museumslandschaft“ ging es um die Zukunft des Kulturforums

Der eine will einen U-Bahnhof, der andere die Potsdamer unter die Erde verlegen

VON RONALD BERG

Können Museen die Stadt retten? Rund 11.000 Menschen haben sich seit Mitte März mit dieser Frage in der Ausstellung „Kultur:Stadt“ der Akademie der Künste auseinandergesetzt. Zum Abschluss wurde die zentrale Frage nach der Rolle von Kunst und Kultur für die Stadt noch einmal in illuster besetzter Podiumsrunde gestellt. Am Sonntag versammelten sich Museumsleute und Kunsthistoriker, Architekten und Stadtplaner, um über die „Neuordnung der Berliner Museumslandschaft“ am Beispiel des Kulturforums zu diskutieren.

Im vergangenen Jahr hatte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz vorgeschlagen, die Bestände der Gemäldegalerie sollten auf die Museumsinsel in Mitte ziehen, um Platz für die Aufnahme der Kunst des 20. Jahrhunderts zu schaffen. Diese Verlagerung der Alten Meister war bereits seit 1999 geplant, wie Bernd Lindemann, Direktor der Gemäldegalerie, noch einmal sichtlich genervt betonte. Doch hat der Shitstorm gegen diesen Plan gezeigt, dass es in der Öffentlichkeit dagegen noch Widerstände gibt. Die Staatlichen Museen seien doch ein Segen für die Stadtplanung, meinte Lindemann, um zugleich jegliche Zuständigkeit für stadtplanerische Aspekte in seiner Arbeit abzulehnen. Kurz: Lindemann präsentierte sich und die Staatlichen Museen als Besserwisser, die alle anderen Akteure im städtischen Gemeinwesen zu ihrem vermeintlichen Glück zwingen wollen.

Dabei sind nicht nur Kunsthistoriker wie Hans Dickel der Meinung, die Alten Meister sollten am Kulturforum verbleiben. Zwar schilderte Dickel das Kulturforum als gestalterisches und funktionales Desaster, die Innengestaltung der Gemäldegalerie sei hingegen für die Bildersammlung maßgeschneidert.

Christoph Sattler, Architekt des Gebäudes, zeigte, dass moderne Kunst im Inneren der Gemäldegalerie mit ihren Holzsockeln und Stoffbespannungen nur schlecht vorstellbar ist. Vor allem aber würde eine Umwandlung dieses nach historischen Vorbildern konzipierten Museums zu einem White Cube schon kostenmäßig einem Neubau gleichkommen. Was also tun?

Architekten und Stadtplaner haben naturgemäß das Bedürfnis, Probleme mit selbst entworfenen Planungen zu lösen. Während sich Kunsthistoriker Dickel einen U-Bahn-Anschluss für das Kulturforum wünschte, möchte Architekt Volkwin Marg lieber die Potsdamer Straße unter die Erde versenken: Das sei machbar, er habe es bereits untersucht, und es würde Platz genug schaffen, um ein neues Gebäude für die Kunst des 20. Jahrhunderts auf dem Terrain unterzubringen.

Matthias Sauerbruch, Architekt und zugleich Kurator von „Kultur:Stadt“, plädierte dagegen für die Wahrnehmung der Werte des Kulturforums. Immerhin stehen mit der Nationalgalerie von Mies van der Rohe und der Philharmonie von Hans Scharoun zwei der bedeutendsten Baudenkmäler Berlins an diesem Ort. Scharoun habe hier mit seiner Stadtlandschaft fein austarierte Räume geplant, meinte Sauerbruch. Obwohl Scharouns ursprüngliches Konzept inzwischen beschädigt worden sei, könne man mit dessen bislang nicht realisiertem Gästehaus eine kuratierte Öffentlichkeit herstellen, eine Art Museum neuen Typs, das eben genau das vollbringen soll, was Sauerbruch auch mit seiner Ausstellung beschwört: das Museum als Ort der sozialen Kommunikation.

Offenbar provoziert die jetzige Gestalt des Kulturforums bei den Fachleuten Unbehagen. Deutlich wurde gleichzeitig, dass die bislang vorgeschlagenen Lösungsansätze wenig kompromissfähig sind. Sauerbruchs Fortschreibung der Moderne stand Christoph Sattlers Idee von einer Rückkehr zur europäischen Stadt am Kulturform diametral entgegen. Auch der Wiener Architekt Hubert Herrmann zweifelte an der künstlichen Revitalisierung von Zuständen des 19. Jahrhunderts.

Hermann war es zugleich, der als Einziger die vielleicht wichtigste Frage zum Kulturforum stellte: Gibt es hier überhaupt ein allgemein verbreitetes Bedürfnis zum Bauen, so wie es die Wiener beim Wiederaufbau ihrer kriegszerstörten Oper hatten? Tatsächlich krankte die Diskussion daran, dass wieder nur Einzelmeinungen und Partikularinteressen formuliert wurden. Jeder will sein Ding machen. So etwas wie Common sense gibt es beim Kulturforum nicht. Insofern ist die Brache, die das Kulturforum in Teilen bis heute auszeichnet, vielleicht die beste Lösung. Diese Offenheit als Qualität zu begreifen, sie zu erhalten und zu nutzen – etwa mit der Freigabe an Kulturakteure aller Art, darauf kam am Wochenende niemand.