Lebensmittelwetten abgesetzt

GELDANLAGEN Genossenschaftsbanken ziehen sich aus der Spekulation mit Nahrungsmitteln zurück

HAMBURG taz | Die DZ-Bank verzichtet auf Spekulationsgeschäfte mit Nahrungsmitteln. Das Spitzeninstitut von 900 Volks- und Raiffeisenbanken hat sich aus dem Wettmarkt mit Agrarrohstoffen zurückgezogen, wie die Großbank in einem Brief an die Verbraucherorganisation Foodwatch berichtet. In dem Schreiben, das der taz vorliegt, spricht sich DZ-Bank-Vorstand Lars Hille außerdem für eine strengere Regulierung der Agrarfinanzmärkte aus.

Mit der DZ-Bank und ihrer Fondstochtergesellschaft Union Investment verabschiedet sich nach der teilverstaatlichten Commerzbank und einigen öffentlichen Landesbanken ein weiterer großer Spieler aus der Nahrungsmittelspekulation. Die DZ-Bank ist mit einem Geschäftsvolumen von mehr als 620 Milliarden Euro die Zentralbank der meisten Genossenschaftsbanken – jede zweite Bank in Deutschland ist eine Volks- oder Raiffeisenbank.

Der zuständige Vorstand Hille versichert in seinem Schreiben, dass Produkte mit Agrarrohstoffen „nicht mehr angeboten werden“. Auch würden keine neuen Nahrungsmittelwetten mehr aufgelegt und keine entsprechenden Produkte anderer Finanzdienstleister vertrieben werden. Vorausgegangen war dem Schreiben offensichtlich ein Besuch des in Berlin ansässigen Foodwatch-Gründers Thilo Bode in der Frankfurter Zentrale der DZ-Bank.

Begründet wird der Ausstieg mit der noch unklaren wissenschaftlichen Diskussion. „Wir begrüßen und fördern es zugleich ausdrücklich, dass die Wissenschaft sich intensiv mit diesem Thema auseinandersetzt.“ Quasi ein Umkehrschluss zur Deutschen Bank: Die hatte anlässlich ihrer Hauptversammlung in der vergangenen Woche in einem 19-seitigen Papier zu „Schwerpunktthemen“ ebenfalls mit den Unschärfen der bisherigen wissenschaftlichen Studien argumentiert – aber daraus das Gegenteil geschlossen.

So habe eine Arbeitsgruppe festgestellt, dass es „kaum stichhaltige empirische Belege“ für die preistreibende Wirkung von Agrarfinanzprodukten gebe. Die Preise stiegen weltweit vielmehr aufgrund der steigenden Nachfrage, der kein ausreichender Anstieg des Angebots gegenüberstehe. Die Deutsche Bank setzt das Geschäft mit Nahrungswetten fort.

DZ-Vorstand Hille begründet den Ausstieg allerdings auch mit fehlenden Anreizen: Man verzeichne „derzeit keine Nachfrage“ nach solchen Produkten. Dieser Flop am Markt sei in die Entscheidung „eingeflossen“. Offensichtlich zeigt die seit zwei Jahren in Deutschland heftig geführte Debatte über Agrarwetten bei der privaten Kundschaft Wirkung.

Mit dem DZ-Ausstieg ist das Thema lange nicht vom Tisch. So sind die meisten angeprangerten Agrarfinanzprodukte sogenannte Derivate. Mit ihnen wettet man auf Indizes für Weizen, Schweinhälften oder Soja – ähnlich einer Fußballtotowette auf den kommenden Bundesligaspieltag. HERMANNUS PFEIFFER