Vatermord gescheitert
: KOMMENTAR VON RALPH BOLLMANN

Sie ist gründlich schief gelaufen, die erste Bewährungsprobe in Sachen grüner Oppositionspolitik. Dabei wollte die Fraktionschefin Renate Künast doch diesmal alles richtig machen. Sie zog die Lehre aus der Debatte um die CIA-Entführung des deutschen Staatsbürgers al-Masri, in der die vormalige grüne Regierungspartei mit lauem Lavieren eine schlechte Figur gemacht hatte. Bei der neuen Affäre um BND-Agenten in Bagdad ging sie kraftvoll in die Offensive und schloss sich der politischen Konkurrenz von FDP und Linkspartei mit der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss an.

Die Grünen waren die Letzten, die den Ausschuss forderten. Nun sind sie diejenigen, die ihn mit ihrem Rückzug vereiteln. Peinlicher geht es kaum noch – ganz gleich, welche Motive am Ende den Ausschlag gaben: ob es das Donnergrollen Joschka Fischers war, der sich einer parlamentarischen Untersuchung nicht stellen mochte; ob die neue Fraktionsführung es selbst nicht mehr für eine gute Idee hält, Rot-Grün nachträglich zu durchleuchten; oder ob sie wirklich zu der Überzeugung gelangt ist, dass die BND-Agenten nichts Verwerfliches getan haben.

Mit ihrem gescheiterten Versuch, sich als kraftvolle Oppositionspartei zu präsentieren, haben die Grünen ihr grundsätzliches Problem vor aller Augen offenbart. Sie waren mit der SPD, die mehr als die Hälfte der Bundesminister stellt, bis vor ein paar Monaten in einer Koalition verbandelt. Jeder Frontalangriff, egal bei welcher Frage, gerät somit in die Gefahr, auch das grüne Regierungspersonal nachträglich zu desavouieren. Zudem kritisieren die Grünen die große Koalition – anders als FDP oder Linkspartei – nicht klar von links oder rechts, sondern aus der gleichen Position der Mitte heraus.

Hinzu kommt die Rolle des Übervaters Joschka Fischer. Sie erinnert fatal an das tragische Schicksal Helmut Kohls nach dessen Machtverlust 1998. Wie einst Kohl, so sonnt sich nun auch Fischer auf den Hinterbänken des Parlaments in seiner Rolle als historisches Denkmal und verhindert mit seinem langen Schatten das Sprießen frischen Grüns. Bei der Union vollzog einst Angela Merkel den brutalen Schnitt. Bei den Grünen ist Renate Künast an dieser Aufgabe gerade gescheitert.