IN DER ABSCHLUSSPRÜFUNG
: Die Schuhe bleiben an

Der Schuh sei längst geworfen, ihn interessiere die Situation

Keine Ahnung, was Beuys von Abschlussprüfungen gehalten hat, um Aufnahmeprüfungen scherte er sich nicht. Als Lehrer an der Kunstakademie in Düsseldorf begann er ab 1971, systematisch die Studienordnung zu untergraben. Er nahm alles auf, was keinen Platz bekommen hatte, zeitweise waren 400 Studierende in seiner Klasse. Dann setzte ihn Bildungsminister Johannes Rau auf die Straße.

Weil das Ende der Kunst bis heute nicht gekommen ist, macht man an der Berliner Universität der Künste weiter wie gehabt. Bei der Abschlussprüfung laufen sieben Dozenten mit nachdenklichen Gesichtern durch die Gänge der aufgeblasen-preußischen Hochschule, und die Studierenden müssen ihre Kunst beschreiben.

Eine Auswahl der besten Erklärungen: „Das stand alles so in meinem Atelier nebeneinander“, „Ich habe ein Austauschsemester in London gemacht“, „Ich hab so eine komische Phobie, dass Häuser umfallen könnten“, „Ich habe ein Austauschsemester in Vancouver gemacht“, „Ich mag die kontrastiven Übergänge“, „Kennen Sie Tollmann?“

Als alle schon ziemlich gerädert sind, schlurft die Prüfungskommission hinaus in den Garten und steht vor einem redegewandten jungen Mann in Collegejacke, der sagt, er wolle nichts zeigen. Stattdessen fände er ein Gespräch unter freiem Himmel sehr schön. Ratlose Blicke. Eine Professorin wagt sich näher heran: „So, would you say, art could be anything?“ Der Schuh sei ja längst geworfen, sagt er, ihn interessiere die Situation.

Nach fünf Minuten werden die Professoren zickig: „Sollen wir denn wenigstens auf Ihrem Prüfungszettel unterschreiben?“ Da sagt jemand im Publikum: „Hier ist der Zettel!“ Er sei der eigentliche Urheber und das Durcheinander sein Werk. Ganz clever eigentlich. Trotzdem kommt er nicht durch. Durchgefallen in der Kunstprüfung.

CARSTEN JAHNKE