Meese unter der Haube

Die neue Volksbühnen-Reihe „Manische Montage“ gibt jungen Kulturproduzenten einen Ort, sich und ihre Ideen vorzustellen. Die Designerin Antonia Kapretz und ihr Gal Institute machten den Anfang mit feministisch grundierter Kosmetik-Action

VON SEBASTIAN FRENZEL

Peitschen, Penisse und Pickelhauben. Gevatter Tod raucht Pfeife, Frau H. klemmt ein eisernes Kreuz zwischen den prallen Brüsten. Auf dem Boden Wortreihen: „Wir sind doch staatspimmilig, wie ihr Lumpis aus Sahne.“ „Blubberschissnahrung.“ „Rohrkrepierer haben hier total verkackt, tut uns leid.“ – Die Indizien sind eindeutig: Der Künstler Jonathan Meese hat zugeschlagen. Und diesmal die beiden Foyers der Volksbühne mit seinem bekannten Mix aus Zottelfiguren, Germanengöttern und Hollywoodhelden zugepinselt.

Meeses Installation, die bereits seit Dezember in der Volksbühne zu sehen ist, gab am Montagabend den Hintergrund ab für eine neue Veranstaltungsreihe: die „Manische Montage“. Die Volksbühne lädt zu dieser Reihe junge Kulturschaffende ein, sich in den Meese-Foyers zu präsentieren, frische Projekte gegen die Montagsdepression zu setzen. Bewerben können sich alle: Architekten, Designer und Filmer, Bildende Künstler, Tänzer und Theaterleute. „Wir sind auf der Suche nach fixen Ideen, wir wollen wissen, was für Gedanken und Projekte da draußen unterwegs sind“, erklärt Mitinitiatorin Jutta Wangemann. „Gerade für junge Leute stellt sich das Problem, dass sie immer bloß vorgegebene Marktlücken zu bedienen haben – aber wir fragen danach, welche unbekannten Bedürfnisse es jenseits der Marktlogik gibt.“

Mimi’s Diva Dryer versuchte am Montag eine erste Antwort. Die Produktdesignerin Antonia Kapretz stellte im Meese-Foyer ihren besonders saugfähigen Haarturban aus Mikrofaser vor. Die 29-jährige Kapretz ist Besitzerin des „Gal Institute“ in der Torstraße, das Produktdesign von oder für Frauen ausstellt. Zu kaufen gibt es kleine Wohlfühl-Tools wie den Haarturban oder Kugelschreiber in Lippenstiftform. Das klingt erst mal eher nach Fünfzigerjahremief als nach „Bedürfnissen jenseits der Marktlogik“, doch in ihrem Vortrag stellte Kapretz schnell klar, dass es ihr um mehr geht als um schicke Accessoires.

Da nämlich schickte sie zunächst mal eine ganze Reihe von Statistiken über die berufliche Ungleichbehandlung von Mann und Frau in den Saal, sprach über den geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen und darüber, dass weibliche Beschäftigte gerade auch im Bereich des Designs selten in den Kreativposten zu finden sind. Ihre Gegenlosung lautet: Einfach loslegen, sich nicht in die organisatorischen Bereiche abdrängen lassen.

Mit ihrem Gal Institute hat sie diesen Weg für sich verwirklicht – und hofft jetzt, mit ihren Produkten und Angeboten etwas zu bewegen. Emanzipation durch gesteigerten Wohlfühlfaktor sozusagen. Eine Mitarbeiterin des Instituts mit dem klangvollen Namen „Fräulein Wunder“ bat am Ende des Abends denn auch zu einer hochgradig revolutionären Maniküre: „Get a manicure and rule the world“, so stand es auf kleinen Handzetteln. Klar: „Wenn man auf seine Superpranken schauen kann, dann bewegt das was für deinen Tag“, so sagte es Kapretz.

Zur Weltherrschaft aufgerufen wurden am Montagabend zunächst zwei Dutzend Anwesende: blondierte Frauen und junge Männer, sämtlich feingliedrige Figuren, die ihre Fingernägel auch vorher schon mal einer Pflegesession unterzogen hatten. Beim ersten Manischen Montag also prallte das Phallus- und Fäkalreich von Jonathan Meese lustig auf den sich emanzipiert gebenden Kosmetik-Irrsinn des Gal Institute. Antonia Kapretz meinte dazu: „Meese zeigt Frauen und Männer am elementarsten Punkt – und irgendwie geht es darum bei mir ja auch.“ Na ja, zumindest scheint der Weg von Pathos zu Parodie bei beiden ähnlich kurz – wäre schön, wenn in den kommenden Wochen auch noch weitere Wege gegangen würden.

Die „Manische Montage“ soll zwei- bis dreimal im Monat stattfinden. Interessierte bewerben sich unter dramaturgie@volksbuehne-berlin.de