strafplanet erde: kunde eskaliert von DIETRICH ZUR NEDDEN
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Mindestens haltbar bis März 2006: Ein Nikolaus aus Schokolade hat die Feiertage auf dem Schreibtisch überlebt. Oder ist es ein Weihnachtsmann? Nein, ein Nikolaus. Der Weihnachtsmann sitzt am Schreibtisch, erwartet dringende Anrufe. Du Weihnachtsmann: Seit einer Ewigkeit hat dein Telefon nicht geklingelt, mindestens zehn Minuten; schlimmer noch: seit einer Ewigkeit ist dein Netz gesperrt, keine E-Mails. Die Kabel üben sich in Renitenz, die Nerven liegen blank. Du Weihnachtsmann hast verdammt noch mal das Gefühl, du seist von der Außenwelt abgeschnitten. Endlich begreifst du: Die Telekom hat den Strang ins Festnetz durchtrennt.

Vor ein paar Wochen hat die Telekom angerufen. Nicht eine dieser Automatenstimmen, die stockend Formeln aneinander reihen, sondern ein Echtmensch. Der hat dir Weihnachtsmann einen neuen Tarif aufgeschwatzt. „Call Profi“ nennt sich der Tarif. Der Titel schmeichelt dir, du willigst ein. „Wenn die Sache irre wird, werden die Irren zu Profis“, hast du neulich in Hunter S. Thompsons „Gonzo Schriften I,1“ gelesen, zu einem Zeitpunkt, als du meintest, in eine irre Sache verwickelt zu sein. Sie war so was von normal, dass wir lieber nicht darauf eingehen.

So normal wie das, was jetzt geschieht. Du Weihnachtsmann, du versuchst, den Kundendienst der Telekom dazu zu bringen, die gekappte Verbindung zu flicken. Okay, eine bittere Erfahrung wie diese kursiert in tausend Varianten, man hat davon zur Genüge gehört und gelesen, Spott und Häme auf die Callcenter-Sklaven, billig zu haben, kübelweise verabreicht. Sie können doch selten was dafür, bedroht vom Stellenabbau, drangsaliert von Rhetorikdozenten, man möchte nicht tauschen. Trotzdem.

Kundenberater Numero uno stellt fest, man habe nicht nur „Call Profi“ installiert, sondern außerdem statt der digitalen eine analoge Verbindung geschaltet. Das Versehen rückgängig zu machen wird ungefähr vier Stunden dauern. Vier Stunden keine E-Mails, das grenzt an eine Katastrophe, denkst du Weihnachtsmann, der du sonst gern ein Loblied aufs Fehlermachen anstimmst. Heute ist alles eilig, alles muss raus, mehr noch wird erwartet. Abgabe! Termine!

Vier Stunden später: Die Lebensgeister bleiben den Apparaten fern. Tot. Kein Freizeichen auch weitere vier Stunden später, aber inzwischen hast du Weihnachtsmann mit sechs Kundenberatern telefoniert und dir wie ein Profi der Reklamation von jedem den Namen geben lassen. „Wenn die Sache hart wird, kommen die Harten zur Sache“, das steht auch bei Thompson.

Jetzt fliegt dir die Anekdote eines wahren Profis zu, der einen Vertrag mit Arcor abgeschlossen hatte. Nichts funktionierte. Von beharrlich wachsendem Grimm getrieben, stieß der wahre Profi am Ende der Odyssee durch den Hotline-Dschungel auf einen Kundenberater, der ihm verriet, was nun oben auf der Karteikarte vermerkt war: „Eilt! Kunde eskaliert!“

Raffiniert flechtest du Weihnachtsmann die Anekdote ins Gespräch mit dem siebten Kundenberater ein. Und in das mit dem achten. Als abends um sieben das Telefon klingelt, bildest du Weihnachtsmann dir allen Ernstes ein, deine Gewitztheit stecke dahinter. Es war wahrscheinlich der Osterhase.