„Nazis wurden integriert“

VORTRAG Über „Weißwäscherei“ und die unzulängliche Entnazifizierung in Bremen

■ 63, Historiker und Leiter der Abteilung Stadtgeschichte im Focke Museum.

taz: Herr Hofschen, wie rigoros wurde in Bremen entnazifiziert?

Heinz-Gerd Hofschen: Der größte Teil der Funktionsträger der Nazis ist nicht zur Verantwortung gezogen worden. Es war ein so fragwürdiger Prozess, wie im Rest Westdeutschlands.

Wo waren nach 1945 NSDAP-Mitglieder in Bremen im Amt?

Besonders in den sehr sensiblen Bereichen der Justiz, der Polizei und der Bildung, in der privaten Wirtschaft sowieso. Obwohl diese Bereiche von ehemaligen Nazis gesäubert werden sollten. Ein amerikanischer Entnazifizierung-Offizier berichtet, dass bereits Ende der 40er-Jahre in der Verwaltung und in den senatorischen Behörden wieder 30 bis 40 Prozent ehemalige NSDAP-Mitglieder im Amt waren.

Wir sprechen von Mitläufern?

Es gab auch Polizisten, die an Einsatzkommandos im Osten beteiligt waren und Juristen, die Terrorurteile gefällt hatten.

Wie konnte das im SPD regierten Bremen geschehen?

Das ist eine entscheidenden Frage. Warum etwa stellt ein Innensenator, der als ehemaliger Kommunist selber verfolgt wurde, Polizisten ein, die in die NS-Verbrechen verstrickt waren.

Und warum?

Es passte in die Zeit. Ein sehr großer Teil der Bevölkerung hatte den Nationalsozialismus akklamiert und wollte nicht mehr an die eigene Mitschuld erinnert werden. Dazu gehörte, die Mörder wieder einzustellen. Damit korrespondiert, dass sich die Opfer oft nicht trauten, ihre Opferrolle zu thematisieren. Sie waren aus der Volksgemeinschaft ausgegrenzt und wollten es vermutlich nicht wieder erleben.

Wie wurde die Demokratie dennoch so stabil?

Viel hat mit dem Wirtschaftswunder in den 1950er-Jahren zu tun, da gab es keinen Grund mehr, sich nach alten Zeiten zu sehnen und die ehemaligen Nazis wurden gut integriert.

Wurde später aufgeräumt?

Es ist nie richtig erforscht worden, welchen Einfluss diese Leute hatten. Sicherlich haben sie ein Klima weitergeführt, das reaktionär war. Aufgearbeitet wurde es erst in den letzten 20 Jahren, in Bremen jüngst mit den Ausstellungen zur Geschichte der Polizei.  INTERVIEW: JPB

20 Uhr, Villa Ichon