Der Experte kommt zu spät

NPD-VERBOT Bei der Konrad Adenauer Stiftung sollte die Diskussion eines NPD-Verbots durch das Impulsreferat eines Parteienforschers mit Hang zum Geschichtsrevisionismus angeregt werden

Nicht vermengen dürfe man die NPD und gewalttätigen, subkulturellen Rechtsextremismus

Eckhard Jesse, Extremismus-Forscher

Das Impulsreferat fiel aus, die Diskussion blieb sachlich. Das Thema beim Bildungswerk der Konrad Adenauer Stiftung (KAS) am Mittwoch: Für und Wider eines NPD-Verbots. Angeblich musste Organisator Ralf Altenhof verzweifelt nach Befürwortern fürs Podium suchen. So hat er es zumindest dem stellvertretenden Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Bremen, Grigori Pantijelew, erzählt. „Deshalb bin ich überhaupt gekommen“, sagte der. Weniger Schwierigkeiten dürfte es Altenhof bereitet haben seinen Expterten für die Gegenseite zu finden. Politik-Professor Eckhard Jesse von der TU Chemnitz ist sein Doktorvater. Doch der kam zu spät. Jesse ist eine ebenso gefragte wie umstrittene Person.

Auch beim 2003 gescheiterten Verbotsverfahren trat er als Gutachter auf. Heribert Prantl kritisierte: Jesse betreibe eine „Bagatellisierung rechtsextremer Umtriebe“. Tatsächlich hat er Kritik am Antisemitismus als „hysterische Reaktion“ abgetan. Und eine „vielfach privilegierte jüdische Position in der Bundesrepublik“ beklagt. Zusammen mit dem rechten Historiker Rainer Zitelmann wollte er im Sammelband „Die Schatten der Vergangenheit“ Impulse zur „Historisierung des Nationalsozialismus“ setzen.

Zuletzt befasste sich Jesse mit „Die Linke“. Auch die hält er für extremistisch. Anders als die NPD aber nicht offen extremistisch, sondern „smart“. Das macht er daran fest, dass sie die kapitalistische Gesellschaft überwinden will. Kritiker wie der Politikwissenschaftler Christoph Butterwege halten diese Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus für „fatal“.

Immerhin sind 46 Menschen sind bei rechtsextrem motivierten Straftaten in den vergangenen 18 Jahren ums Leben gekommen. Allein 20.000 rechtsextrem motivierte Straftaten wurden 2009 registriert.

Warum die KAS eine fragwürdige Person wie Jesse als Impulsgeber geladen hatte? Altenhof, Leiter des Bremer Büros, ließ sich dazu zunächst interviewen. Seine Antworten zog er später jedoch zurück. Am Telefon hängte er auf, untersagte schließlich „jedwede Verwendung“ des Interviews. Wenig souverän gab er sich auch bei der Diskussion. Rund 100 Menschen waren gekommen. „Vielleicht gelingt es ja den Verbots-Gegnern die Befürworter umzustimmen“. Sekundenlange Pause. „Oder umgekehrt“, sagte Altenhof zur Eröffnung.

CDU-Innenpolitiker Wilhelm Hinners begründete seine Haltung mit der Sorge um die innere Sicherheit: Ein Verbot würde zu einem „Rückzug in den Untergrund“ führen. Eckhard Jesse will die NPD sogar „aushalten“. Auch Antidemokraten seien in einer Demokratie existenzberechtigt. Entscheidend für ein Verbot sei „die Frage der Gefahr“. Und eben die sei nicht hinreichend gegeben: „Nicht vermengen“, so Jesse, solle man die rechtsextreme NPD und einen „gewalttätigen, subkulturellen Rechtsextremismus“.

Vornehmlich für ein NPD-Verbot sprachen sich die Stimmen aus dem Publikum aus. „Wer gegen ein Verbot argumentiert, verhindert die öffentliche Auseinandersetzung“, war ein Einwurf. „Angstmache“ seien Warnungen vor einem Rückzug in den Untergrund und einer Radikalisierung der rechtsextremen Szene, sagte Grigori Pantijelew. „Ich möchte nicht, dass ein Verbot durch Angst verhindert wird“. Eine „Verniedlichung der NPD“ hielt Friedrich Scherrer, Pastor der St. Michaelis-St. Stephanie-Gemeinde, Jesse vor. Und verwies auf die strukturelle und sprachliche Gewalt wie die Hetze und Drohungen gegen migrantische Politiker im vergangenen Herbst. „Die NPD betreibt zumindest auf dem Papier Gewalt“, sagte Scherrer.

Lauten Applaus gab es vom KAS-Publikum einzig für Jesses Schlusswort: „Jeder Demokrat ist Antifaschist“, sagte er, „aber nicht jeder Antifaschist Demokrat“. AG