Giftgas auf dem Grund

WELTKRIEGSLAST Land will Granaten vor Helgoland nicht räumen. Zustand der Altmunition unklar

Vor Helgoland lagert Giftgas – und da soll es auch bleiben: Gestern sagte Holger Thieße Volker Dornquast, Staatssekretär im schleswig-holsteinischen Innenministerium, dass die mit dem Nervenkampfstoff Tabun gefüllte Granaten nicht geborgen werden sollten. Bei dieser Entscheidung sei „keinem richtig wohl“, es bestehe aber keine Gefahr, so Dornquast. Weit risikoreicher wäre dagegen der Versuch, die Granaten zu heben, denn dabei könnten die Behälter platzten.

Die Granaten sind eine Erblast aus dem Zweiten Weltkrieg: Sie stammen von einem Wehrmachtstransport, der 1945 durch Luftangriffe gestoppt wurde. 1949 entschied die Britische Militäradministration, die Munition vier Kilometer südlich von Helgoland zu versenken. Die Nordsee ist dort 50 Meter tief.

Nach einem neuen Gutachten aus dem Jahr 2008 überlegte der Kampfmittelräumdienst des Landes, ob und wie die Fundstelle geräumt werden könnte. Nach mehreren Messfahrten entschieden die Experten: Am Meeresgrund liegen keine großen Gegenstände wie Torpedos oder Wracks. Kleine Gegenstände – offenbar die Granaten – sind zu orten, ihr Zustand aber ist unklar, da für „Videoaufnahmen das Wetter zu schlecht war“. Das Giftgas sei vermutlich ohnehin schon ausgewaschen, es sei wasserlöslich und reichere sich in der Nahrungskette nicht an.

Kritik kam von der Opposition: „Die Behörden müssen alle Informationen auswerten und notwendige Konsequenzen ziehen“, sagte Marlies Fritzen (Grüne). Ranka Prante (Linke) forderte die „schnellstmögliche Entschärfung und Entgiftung“ der Granaten. Bliebe die Munition liegen, bestehe die Gefahr, „dass sie von Tauchern in krimineller Absicht gehoben oder von Schleppnetzen erfasst würde“. EST