MIT DEM FILM „KAWASAKIHO RUZE“ DES TSCHECHISCHEN REGISSEURS JAN HREBEJK WIRD DAS PANORAMA SPECIAL ERÖFFNET
: Gewisse dunkle Flecken

Es kam alles ganz anders. Eigentlich ist das der Satz, der die Ereignisse in Osteuropa nach 1989 am besten zusammenfasst. Die Realität hat im Grunde die Erwartungen aller Seiten von damals enttäuscht, die positiven wie die negativen.

Auf der positiven Seite stand im Herbst 1989 die Hoffnung, dass in den entstehenden Demokratien statt korrupter Apparatschiks nun die noblen Dissidenten das Sagen haben würden. Einer wie Pavel Josek (Martin Huba), um den es im Film des tschechischen Regisseur Jan Hřebejk geht, mit dem heute die Berlinale-Sektion Panorama Special eröffnet wird.

Pavel ist ein angesehener Psychiater im Tschechien der Gegenwart. Große Teile dieses Ansehens speisen sich aus der Tatsache, dass er mit seiner Frau Jana (Daniela Kolárová) in den 1970er- und 1980er-Jahren ein namhafter Dissident war. Der Film lässt sich Zeit, bis er zu jenem Punkt vorstößt, den man zu kennen glaubt. Wie oft hat man schließlich erfahren müssen, dass die angesehensten und integersten der früheren Oppositionellen als inoffizielle Mitarbeiter oder zumindest Gelegenheitsdenunzianten enttarnt wurden? In „Kawasakis Rose“ (Kawasakiho růže) ist es der ungeliebte Schwiegersohn, der beim Fernsehen arbeitet und bei den Recherchen zu einem Feature über Pavel auf gewisse dunkle Flecken stößt.

Regisseur Jan Hřebejk hat vor zehn Jahren mit seinem Film „Wir müssen zusammenhalten“ schon einmal einen unkonventionellen Blick auf die Zweideutigkeiten von Widerstand und Kollaboration geworfen, damals ging es um ein tschechisches Ehepaar im von Deutschen besetzten Prag. Auch in „Kawasakis Rose“ bringt er den Zuschauer dazu, sich nicht vorschnell auf sicher geglaubte moralische Positionen zu verlassen.

Mit einem etwas zu großen Hang zu atmosphärischen Bildern entblättert Hřebejk die verschiedenen Seiten eines Familiendramas, das zugleich europäische Historie ist, ohne die Frage nach Schuld oder Unschuld je eindeutig zu beantworten.

Vor allem zwei Momente bleiben in Erinnerung: der ehemalige Geheimdienstler, der mit seiner Aussage gegen den ehemaligen Dissidenten einen späten Triumph feiert und es sichtlich genießt, den alten Feind noch einmal „in den Dreck zu ziehen“. Und die Ansprache des „Geschädigten“, der mithilfe von Pavels Aussagen ins Exil gezwungen wurde. Er liest eine lange Liste der im Tschechischen möglichen Beschimpfungen vor, von elegant bis vulgär. Und sagt dann, dass ihm keines davon passend erscheine. BARBARA SCHWEIZERHOF

■ Heute, 19 Uhr Zoo Palast 1, weitere Termine: www.berlinale.de