Probenräume als Altersvorsorge

Gute Zeiten für Musiker. Die Zeiten feuchter Kellerräume sind vorbei. Heute übt man mit Stil und Gitarren-Doktor

Alte Autos stehen in den Gängen, und unter einem Schwerlast-Träger baumelt eine Fender Mustang, Baujahr 72. Herangeschafft hat sie Oliver Doering. Der 41-Jährige Jazzgitarrist kam 1994 nach seinem Musikstudium im holländischen Arnhem nach Köln zurück. Lange Zeit suchte der Wes Montgomery- und George Benson-Fan vergeblich nach einem Proberaum. Er mietete schließlich einen alten Lagerkeller und baute darin zwei Räume aus. Auf sein erstes Mietangebot meldeten sich 15 Interessenten. Eine Band bot ihm sogar 500 Mark, um den Raum zu bekommen. „Da hat‘s bei mir geklingelt. Ein Proberaum in Köln war zu dieser Zeit Gold wert“, erinnert sich der Musiker, der in verschiedenen Projekten mit warmen Jazzgitarren-, als auch mit funky E-Gitarrensounds zu hören ist. Heute vermietet er im großen Stil. Zusammen mit seiner Frau Dana Arvig leitet Oliver Doering die deutschlandweit größte Proberaum-Vermietung „art olive“.

In Castrop-Rauxel hat Klaus Leimbach die Marktlücke auch entdeckt. Auf einem ehemaligen Zechengelände baut er für sein „Probenraumprojekt-NRW“ eine Halle. Ursprünglich wollte er nur die vier Räume in den beiden alten Trocken-Türmen ersetzen, die an Castroper Bands untervermietet sind und im Februar abgerissen werden. Mittlerweile plant Leimbach für insgesamt 14 Proberäume und eine Bühne: „Wenn der Bau hier fertig ist, mach‘ ich da weiter, wo der Bedarf am größten ist“, sagt er. Seiner Bank hat Leimbach das Projekt als persönliche Altersvorsorge verkauft. Auch wenn die Kreditgeber stutzten, ihm reicht ein Blick auf die Band-Warteliste, um zu wissen, dass er sich um eventuelle Leerstände nicht sorgen muss. „Die Nachbarstädte Essen und Bottrop sind völlige Diaspora,“ sagt er. Von dort kämen bereits massig Anfragen.

Doch noch steht Leimbachs Proberaumcenter inmitten eines Trümmerfeldes. Das Gelände der Zeche Viktor in Castrop-Rauxel wird gerade komplett saniert. Trotzdem beziehen die Musiker schon bald die neue Halle und werden provisorisch mit Strom versorgt. Geplant ist auch ein „Sozialbereich“ mit Sofas und einer kleinen Küche. Hinter der Halle wird vor der Kulisse des Chemiewerks der Rüttgers AG die Freilichtbühne gebaut. „Die Musiker küssen mir die Füße“, lacht Leimbach.

In Köln macht Oliver Doering in seiner Kulturoase nicht anderes. In Sachen Extras kann ihn niemand toppen: Ein separater Clubraum mit Theke, in dem regelmäßige Jam-Sessions stattfinden, Verleih von Aufnahme-Mikros und anderer Technik, Lastenaufzug in den Keller, DSL-Anschlüsse in allen Räumen. Und die wöchentlichen Sprechstunden des Gitarren-Doktors ziehen auch noch etliche Mieter. Rund 100 junge Bands aus der Metal- und Punkszene besiedeln heute die 4.000 Quadratmeter großen Katakomben. Darüber, wo die Räume bis zu 400 Euro im Monat kosten, proben vor allem Profis. Hier gibt‘s eher Klassik und Jazz hinter den mit Sand gefüllten Wänden. Die unterschiedlichen Genres treffen während der Proben und zwangsläufig aufeinander. Die Kulturoase wird so auch zum Bindeglied und Netzwerk für die Musiker. Zuschüsse gibt es für das private Unternehmen nicht. „Die Stadt Köln fördert andere Projekte“, sagt Manfred Post, Referent für Popularmusik beim Kulturamt.

Dass es auch anders geht, zeigt die Stadt Hannover. Das MusikZentrum, Herzstück der dortigen Musikszene, ist als gemeinnützige GmbH organisiert. Der Zuschüsse durch die Stadt stehen zwar leere Kassen im Wege, doch die Zusammenarbeit läuft: „Hannover ist die einzige Stadt, in der kein Proberaummangel herrscht“, sagt Holger Maak, Geschäftsführer des Zentrums und Vorsitzender der Deutschen Rockstiftung.

CHRISTINE VEENSTRA