Choreografierte Power

Die „Jungen Akteure“ der Moks-Theaterschule machen sich mit „Reiher“ von Simon Stephens an ein bekanntes Jugendstück – und das machen sie, unterstützt von Moks-Schauspielern, sehr gut

Knapp ein Jahr nach ihrer Gründung hat die Theaterschule „Junge Akteure“ mit „Reiher“ jetzt ihre erste Produktion gezeigt, bei der die teilnehmenden Jugendlichen zusammen mit SchauspielerInnen aus dem Moks und der freien Szene auftreten. Dieser Hang zum Professionellen ist Programm: Schließlich soll die mit Mitteln des damaligen Kulturhauptstadt-Fonds in den Räumen des Theaterkontors Schildstraße gegründete Schule „keine theaterpädagogische Einrichtung“ sein, sondern schlicht ein „Ort, an dem Jugendtheater gemacht wird“ – möglichst gutes.

Man mag von dieser betonten Abgrenzung vom Wort „Pädagogik“ („Schule“ darf offenbar), die mittlerweile zum Credo fast aller JugendtheatermacherInnen gehört, halten, was man will – „möglichst gutes Theater“ ist die im Güterbahnhof gezeigte Produktion jedenfalls in der Tat. Es ist die absolut runde Umsetzung eines nicht zuletzt in der Inszenierung von Sebastian Nübling bekannt gewordenen Stücks über Jugendgewalt.

Mitten in der kahlen Halle steht der Bühnen-Verschlag, den die ZuschauerInnen durch eine Brettertür betreten – und schon sitzen sie am Kanal, gegenüber von Billy, der dort nach der Schule zum Angeln hinkommt. Die Geschlossenheit dieses Bühnenbildes (von Lea Dietrich und Erhard Dapper) mit seinen wuchtigen Uferquadern ist schon mal ein ziemlich überzeugendes Setting, in dem das Verhältnis von Billy (Daniel Tautz), dem straighten Außenseiter, zur dominierenden Jungs-Gang eskaliert.

Die zwischen 16 und 19 Jahre alten AkteurInnen, die vor drei Monaten im Rahmen eines offenen Workshops ausgesucht wurden, agieren mit einer beeindruckenden Selbstverständlichkeit, die Lust auf mehr macht. Sicher: Andrea Udl, die die „Reiher“ bereits mit Jugendlichen am Hamburger „Thalia“-Treffpunkt gezeigt hat, setzt auf unvermittelte Power, also auf eine Inszenierung der Kategorie Schrei und Tret. Aber da Heiko Büter vom Bremer Tanztheater dabei auch für beachtlichen choreografischen Elan gesorgt hat, ermüdet die Dynamik nicht. Die gequaderte Bühne bietet Raum für tragigkomische Auftritte der genial-abgewrackten Mutter (Susan Keiper) und von Charly (Jochen Klüßendorf), den eine ebenso anrührende wie ambivalente Vater/Sohn-Beziehung mit Billy verbindet. Das Zusammenspiel von Moks-„Eltern“ und „Junge Akteure“-Kids geht jedenfalls auf – als stückbezogene Rollenverteilung und als Theaterschulkonzept. HB

Die für Freitag und Samstag vorgesehenen Aufführungen fallen wegen Krankheit aus. Die nächste „Reiher“-Staffel findet vom 21. bis zum 26. April (diesmal im Moks-Theater) statt