„Abbauplanungen“ für Hochschulen

Ade, Stadt der Wissenschaft! Ein internes Papier belegt: Senator Willi Lemke (SPD) plant den „Abbau“ der Bremer Hochschulen – Spitzen-Uni hin oder her. „Es wäre wunderbar, wenn es gelänge, jetzt nicht einen Massenaufschrei hinzukriegen“, sagt er

Bremen taz ■ „Ein idealer Anstoß für die Weiterentwicklung der Wissenskultur in Bremen – auch über 2005 hinaus“ – formulierte Wissenschaftssenator Willi Lemke (SPD) noch bei der Siegerehrung zur „Stadt der Wissenschaft“ im Frühjahr 2004 voller Euphorie. Von Wissenschaft als Wirtschaftsfaktor war die Rede, und davon, dass der Wissenschaftsstandort Bremen weiter ausgebaut werde. „Mein politisches Ziel ist, dass mehr junge Menschen zu Studienabschlüssen kommen“, bekannte Lemke gestern in der Bürgerschaft. Das dürfte schwierig werden. In Lemkes eigenem Ressort nämlich ist von „Ausbau“ im Wissenschaftsbereich längst keine Rede mehr.

Im Gegenteil. Lemkes Beamte basteln seit Monaten an „Abbauplanungen“ für die bremische Hochschullandschaft. Das belegt ein internes Papier, das der taz vorliegt. Von einer „Rücknahme von Leistungen und Angeboten in Lehre und Forschung“ ist darin die Rede, vom „Abbau von Studienprogrammen“, und davon, dass der „Umfang der bisherigen Wissenschaftsschwerpunkte des Landes“ nicht mehr aufrechterhalten werden kann.

Anlass der 180-Grad-Wende der Bremer Wissenschaftspolitik ist ein fast ein Jahr alter Sparbeschluss der Spitzen von SPD und CDU: 100 Millionen Euro soll Lemke bei den Hochschulen streichen. „Es ist zu erwarten, dass auch Leistungsfähigkeit und Attraktivität des Wissenschaftsstandortes beeinträchtigt werden“, prophezeit das Ressort.

In den Senat hat Lemke seine Pläne bisher noch nicht getragen. Aus einem naheliegenden Grund: Ganze anderthalb Jahre nämlich ist es her, dass er mit den Rektoren aller Bremer Hochschulen einen feierlichen Vertrag unterzeichnet hat, den so genannten „Wissenschaftsplan 2010“. Dieser solle allen Beteiligten mehrjährige „Planungssicherheit“ geben, versprach Lemke damals.

Josef Stockemer, der Rektor der Hochschule Bremerhaven, kann da nur den Kopf schütteln. „Für mich hat sich der Begriff ‚Planungssicherheit‘ zunächst mal verabschiedet“, sagt er. Drei neue Studiengänge hat er in den letzten Jahren eingerichtet, Basis dafür: der Vertrag mit Lemke über den Ausbau der Hochschulen in Bremerhaven.

Die Sparvorgaben aus dem Ressort haben alle Planungen obsolet gemacht. Während die Uni Bremen vergleichsweise glimpflich davonkommt, sollen die Hochschulen überproportional bluten. Bremerhaven etwa soll auf jede sechste der einst zugesagten Stellen verzichten. Auch die Hochschule Bremen sieht die „Qualitätssicherung bei der Lehre“ in Gefahr, im Vertrauen auf die angebliche „Planungssicherheit“ angeschobene Projekte stünden auf der Kippe. „Das müssen letztlich unsere Studierenden ausbaden“, sagt Sprecher Ulrich Berlin.

Erst im Herbst hat die Kultusministerkonferenz einen Anstieg der Studierendenzahlen um ein Drittel bis 2012 prognostiziert. Stockemer fordert daher eine Rücknahme des Sparbeschlusses. Die Haushaltsplaner, appelliert er, dürften den positiven Einfluss von Wissenschaftsinvestitionen auf die Wirtschaftskraft einer Region nicht vergessen. Zumindest aber müsse auch die Bremer Uni einen adäquaten Anteil am Sparziel leisten.

Mit welchen Auswirkungen des Sparprogramms er denn rechne, wollte die Grünen-Abgeordnete Silvia Schön gestern von Lemke wissen. „Das kann ich heute hier nicht definieren“, antwortete der. Ulrich Berlin kann es: „Wenn die Axt an uns gelegt wird, passiert das zum Schaden Bremens.“ Armin Simon