Anerkennung gilt nur dem Erfolgreichen

Die Gags sind erfrischend rüde, das Drehbuch enttäuschend brav. Mark Dindals mit 3D-Effekten angereicherter Animationsfilm „Himmel und Huhn“ hebt sich trotzdem wohltuend von den üblichen Disney-Produktionen ab

Am Anfang läutet die Feuerglocke. Panik bricht aus. Die Flüchtenden verwüsten kopflos ihre Kleinstadt. Die Feuerwehr reißt einen Wassertank um, der durch ein Kino rast. Dort läuft gerade „Indiana Jones“; zu sehen ist, wie der Held vor einer Kugel flieht.

„Himmel und Huhn“ hat einen Anfang, wie man ihn aus den besten Jahren der Warner Cartoons kennt: rücksichtslos und komplett unmoralisch, voller Lust an der Zerstörung. Mark Dindals Animationsfilm ist, das macht diese Eröffnungssequenz deutlich, die Antwort des Disney Studios auf die Erfolge, die Dreamworks und das – eben von Disney per Aktientausch übernommene – Pixar-Studio mit frechen Animationsfilmen feierten. Mit digital erzeugten 3D-Effekten (ja richtig, die Brillen sind zurück) kann Disney seit langem auch wieder für sich in Anspruch nehmen, eine technische Neuerung eingeführt zu haben. Und tatsächlich zwingen einen herumfliegende Objekte, reflexartig die Augen zu schließen. Bis auf solche Szenen jedoch bieten die Bilder keine räumliche Tiefe, die nicht mit den Mitteln von Perspektive und Schatten zu erzielen wäre. Auch scheint es, dass die 3D-Effekte Rechnerleistung und damit auch Etat an sich binden, die an anderem Ort dann leider nicht zur Verfügung stehen. Die Figuren und Hintergründe erreichen nicht den von Pixar etablierten Standard an Feingliedrigkeit und Oberflächenreizen. Das hat sehr wohl Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit von Figuren. Wenn etwa auf den Helmen der Aliens einige wenige Leuchtdioden flimmern, dann wirkt das nur wie ein oberflächliches Zitat von Sciencefictionfilmen aus den 60er-Jahren, etabliert sie aber nicht als Charakter.

Tempo, Ironie und Anspielungsdichte sind völlig untypisch für die letzten Disneyproduktionen, etwa den todlangweiligen „Bambi 2“. So frech, anarchisch und rüde die Gags, die Mark Dindal inszeniert, der schon für den letzten kleinen, aber guten Disneyfilm „Ein Königreich für ein Lama“ verantwortlich zeichnete, so grob fällt allerdings das Drehbuch von Steve Bencich, Ron J. Friedman und Ron Anderson aus. Hühnchen junior schwört, dass ihm der Himmel auf den Kopf gefallen ist, und löst damit die Panik aus. Hühnchen senior glaubt seinem Sohn die Geschichte nicht, und auch sonst setzt er wenig Vertrauen in seinen Sohn. Dieser muss erst ein wichtiges Baseballspiel gewinnen und die Welt vor herumballernden Aliens retten, die ein Jahr zuvor einen Teil ihres Raumschiffs verloren hatten, das justament auf unseren kleinen Helden gefallen war. Der puritanische Kern der Geschichte, nur fadenscheinig kaschiert durch das Gebot, miteinander reden zu müssen, ist folgender: Väterliche Anerkennung, ja Liebe gibt es nur bei Erfolg. Das ist brutal, nicht etwa die Zerstörungen.

MARTIN ZEYN

„Himmel und Huhn“, Regie: Mark Dindal. Animationsfilm, USA 2005, 81 Min.