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: Bono-Boom in Baden-Baden

U 2-Sänger Bono erhält den „Deutschen Medienpreis 2005“. Das ist toll, aber …

Mit meinem Freund Josef hatte ich vor nicht allzu langer Zeit eine Meinungsverschiedenheit. Nie hätte ich damit gerechnet, dass es jemals dazu kommen würde. Wer im Lexikon unter dem Begriff „Milde“ nachschlägt, wird dort ein Foto von Josef finden. Er ist ohne Dünkel, ohne Arg und immun gegen Berufskrankheiten wie den Zynismus. Er lebt, lässt leben und tut ansonsten Gutes. Und wo er es nichts Gutes bewirken kann, dort lässt er es gewähren. Er hält dem Guten sogar dann den Rücken frei, wenn das Gute gerade mal wieder Scheiße baut – wie es, meiner Meinung nach, auch beim jüngsten U2-Album (mit den im Booklet abgedruckten Spendenkonten von Dalai bis Lama) der Fall war.

Mein Gekrittel am wohlfeilen Gutmenschentum allerdings erstickte Josef ungewohnt kaltblütig im Keim: „Gutes bleibt Gutes“, zischte er, „da brauch’ man gar nicht lange rumtun.“ Ich tat dann auch nicht mehr lange rum, hatte ein Einsehen – und schwieg, wie es sich gehört. Bis gestern.

Gestern nämlich wurde in Baden-Baden Paul Hewitt, bekannt als Bono, mit den (Trommelwirbel!) „Deutschen Medienpreis 2005) geehrt: „Er hat die mächtigsten Lenker von Industriestaaten zum Handeln bewogen“, schluchzte der Ex-„Lenker“ Joschka Fischer in seiner Laudatio. „Bono ist für mich einer der größten Menschen meiner Generation“, urteilte Boris Becker: „Und von seiner Band U2 können sich eh einige andere eine Scheibe abschneiden.“ Im Gegenzug pries Bono ausgerechnet Angela Merkel als eine „Dichterin aus Ostdeutschland“, bevor der Abend zur Musik von U2 ausklang. Eine Agentur (dpa) berichtet wörtlich: „Marius Müller-Westernhagen und Klaus Meine von den Scorpions schüttelten ihm die Hand, Peter Maffay zog ihn an seine Brust. Auch Birgit Schrowange, Ingolf Lück und Dieter Thomas Heck waren gekommen, Günter Netzer, Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust und Bertelsmann-Chefin Liz Mohn, Kai Pflaume, Frauke Ludowig und Frank Elstner.“ Gutes mag Gutes bleiben und Gutmenschen unter sich. Aber einen Dolchstoß von solcher Heimtücke, den hat Josef nicht verdient. ARNO FRANK