Polens rechter Bauernfänger stolpert über seinen Schwanz

SKANDAL Der frühere Vizepremier Lepper kommt wegen Vergewaltigung und Nötigung hinter Gitter

Zu den Pflichten einer Büroleiterin der Partei zählten auch sexuelle Dienstleistungen

Aneta Krawczyk

AUS WARSCHAU GABRIELE LESSER

„Gefängnis für den Premier!“, titelten gestern fast alle Tageszeitungen Polens. „Andrzej Lepper, früherer Vize-Regierungschef und Landwirtschaftsminister, muss hinter Gitter!“ und „Verurteilt wegen Sex – zwei Jahre und drei Monate“, hieß es. Das Gericht im zentralpolnischen Piotrkow Trybunalski befand den Politiker für schuldig, eine Mitarbeiterin seiner Partei „Selbstverteidigung“ zum Beischlaf gezwungen zu haben.

Wegen Vergewaltigung und Nötigung zum Sex wurde im selben Verfahren auch Stanislaw Lyzwinski verurteilt, der frühere Abgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Bauernpartei. Lyzwinski muss die fünf Jahre Haft nicht vollständig absitzen, da er im Untersuchungsgefängnis schwer erkrankte. Mit dem Urteilsspruch wurde er nach zweieinhalb Jahren Haft vorzeitig entlassen. Beide Politiker wollen in die Berufung gehen.

Aneta Krawczyk weint, als das Urteil verkündet wird. „Es ist vorbei. Gott sei dank. Dieser Prozess hat mein Leben verändert. Aber die Schuldigen wurden bestraft.“ Sie wagt ein erstes Lächeln. Nachdem sie der Tageszeitung Gazeta Wyborcza 2008 erzählt hatte, dass zu den Pflichten einer Büroleiterin der Partei auch sexuelle Dienstleistungen zählten, erregte ihr Fall großes Aufsehen. Lepper, der damalige stellvertretende Ministerpräsident der Regierung Jarosław Kaczyńskis, wies die Vorwürfe zurück. Obwohl er als Vater des Kindes von Krawczyk nicht in Frage kam, forderte er eine DNA-Untersuchung. Als sie wie erwartet negativ ausfiel, triumphierte Lepper und bezeichnete Krawczyk als unglaubwürdig.

Tatsächlich geriet sie in der Öffentlichkeit in den Ruch, ein Flittchen zu sein, das mit jedem Politiker ins Bett ging. Doch es meldeten sich immer mehr Frauen, die ähnliche Vorwürfe gegen die Politiker erhoben. In seinen Vorstellungsgesprächen wurde nicht nur nach üblichen Qualifikationen gefragt, sondern auch eine klare Bedingung gestellt: „Arbeit gegen Sex“. Krawczyk, die als allein stehende Mutter zwei Kinder zu ernähren hatte, zögerte, nahm die Stelle als Büroleiterin dann schließlich doch an. Das Gehalt war hoch, die Position mit Prestige verbunden.

„Dieser Prozess hat mein Leben verändert.“

Ihr Ekel vor dem Angegrapschtwerden, den anzüglichen Bemerkungen und den wechselnden Politikern im Bett wurde mit der Zeit unerträglich. Schließlich zeigte sie die beiden Politiker an. Der damalige Premier Jarosław Kaczyński, der mit seiner nationalkonservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ eine „moralische Revolution“ plante, ließ sich von den Vorwürfen gegen seinen Stellvertreter nicht aus der Ruhe bringen. Lepper flog erst aus der Regierung, als ein Korruptionsskandal im Landwirtschaftsministerium die Öffentlichkeit erschütterte. Allerdings konnte in diesem Fall Lepper bislang keine Schuld nachgewiesen werden.

Die „moralische Erneuerung“ endete in einem Fiasko. Die Wähler straften 2007 die drei Koalitionsparteien erbarmungslos ab. Die „Liga der Polnischen Familien“ und die „Selbstverteidigung“ landeten im parlamentarischen Aus, während „Recht und Gerechtigkeit“ auf die Oppositionsbank rutschte. Das Urteil „Gefängnis für den Vizepremier“ besiegelt den politischen Bankrott der Kaczyński-Ära.