Gu-Mo-Buchladen, Braunschweig

JUGEND Unser Autor Andreas Speit wurde im Gute-Morgen-Buchladen politisch sozialisiert

„Natürlich sind wir immer noch ein linker Buchladen“, sagt Regine. An dem runden Tisch im Guten-Morgen-Buchladen (Gu-Mo) setzen Astrid und Anche nach: „Wir machen aus allem aber keine Ideologie.“ Dass meine Frage nicht für Verstimmung sorgt, dürfte nur einen Grund haben: Wir kennen uns.

Seit 1979 besteht der Buchladen in Braunschweig, früher in der Geysostraße, heute im Bültenweg. Die Idee hatten StudentInnen. Bekannte, die einen Teeladen eröffneten wollten, fanden sie auch gut. Beim Betreten des Ladens umgaben mich als Jugendlicher die Düfte der Teesorten, ein paar Stufen hoch konnten Bücher aufgeschlagen werden, die in den Literatursendungen und Feuilletons nicht vorkamen: Titel zwischen sozialen Utopien und kritischer Aufarbeitung der NS-Zeit.

Von Büchern, die ich damals erwarb, fallen mir heute noch Sätze ein wie: „Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigene Melodie vorsingt.“ Zeitungen, in denen stand, wie der Takt durch Provokation beschleunigt werden könnte, lagen auch aus – nicht ohne Folgen. „Der Laden war einmal morgens völlig überfüllt“, erzählt Regine. „Die Radikalen“ hatte das Bundeskriminalamt an dem Tag gesucht. Das Türschloss machte das BKA kaputt. „Das bekamen wir sofort kostenlos heile gemacht“, sagt Regine.

Die härtesten Auseinandersetzungen, erzählt Anche, hatten sie mit der Industrie- und Handelskammer. Die habe sie als einen „Zigeuner- Frauen-Lesben-Schwulen-Laden“ gesehen. Zugegeben, auch ich habe im Guten-Morgen-Buchladen „Das andere Geschlecht“ und „Sexfront“ gekauft, schöngeistige Literatur eher nicht. Und Krimis galten als „Kulturindustrie“.

Mit dem Umzug in den Bültenweg wurde das Programm breiter – besonders das literarische Angebot. Ich entdeckte Heiner Müller und Elfriede Jelinek für mich. Seit 2011 hat im Gu-Mo die Büchergilde einen neuen Platz gefunden. „Ich sehe das nicht mehr so dogmatisch“, sagt Regine. Trotzdem kommen Spiegel-Bestseller nicht automatisch in ihr Programm.

Selbstverständlich finden sich Plakate für die nächsten Proteste gegen Nazis und Atomenergie. Buskarten zu Demonstrationen können erworben werden. Und ich – finde immer noch anregende Titel.  ANDREAS SPEIT