Wirtschaftsminister legt die Latte tief

1,4 Prozent Wirtschaftswachstum prognostiziert Michael Glos für dieses Jahr, nur ein Prozent für 2007. Die Zahl der Erwerbslosen soll auf 4,5 Millionen sinken. Indirekt fordert der CSU-Politiker, Sozialhilfe und Arbeitslosengeld weiter zu senken

VON HANNES KOCH

Möglichst keine Fehler machen – das ist die oberste Prämisse von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos. Gestern präsentierte der CSU-Politiker zum ersten Mal den „Höhepunkt des Jahres“, den Wirtschaftsbericht der Bundesregierung. Angesichts der anziehenden Konjunktur fällt die Prognose mit 1,4 Prozent Wirtschaftswachstum für 2006 erstaunlich zurückhaltend aus. Für 2007 erwartet der Minister sogar nur ein Prozent, was Glos allerdings als seine „Privatmeinung“ charakterisierte.

Glos, ein Neuling auf dem Feld der Wirtschaftspolitik, will die Blamagen nicht wiederholen, die sich seine Vorgänger Werner Müller und Wolfgang Clement (SPD) immer wieder leisteten. In den Jahren nach dem New-Economy-Crash von 2000 wurde die Entwicklung der Wirtschaft oft überschätzt. Regelmäßig korrigierte die Bundesregierung ihre Erwartungen nach unten und die Zahl der Arbeitslosen nach oben. Um das zu vermeiden, legte Glos die Latte eher tief – trotz der optimistischen Stimmung in der Wirtschaft. Der Ifo-Geschäftsklima-Index zeigte gestern erneut nach oben. Der Minister deutete zwar an, dass dieses Jahr durchaus auch zwei Prozent Wirtschaftswachstum herausspringen könnten, wollte das aber nicht als Maßstab gewertet wissen. Die Zahl der Erwerbslosen soll 2006 um rund 350.000 auf durchschnittlich 4,5 Millionen Personen zurückgehen. Auch bei Projekten für die nähere Zukunft gab Glos sich zurückhaltend. Brav referierte er das Wachstumsprogramm der Bundesregierung in Höhe von 25 Milliarden Euro. Gleichzeitig rechtfertigte er erneut die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer, die 2007 von jetzt 16 auf 19 Prozent steigen soll. Darüber hinaus beließ er es bei spitzen Hinweisen, ohne die eigene Position genau zu definieren.

So sagte Glos zum Kombilohn: „Bisher ist ein wirtschaftspolitisch verträglicher Ansatz zur Verbesserung der Situation gering Qualifizierter nicht in Sicht.“ Damit kritisierte der Minister eines der wichtigen Vorhaben der schwarz-roten Bundesregierung, das diese auch in ihrer Koalitionsvereinbarung niedergelegt hat. Lohnzuschüsse des Staates sollen den möglichen Verdienst von gering qualifizierten Arbeitslosen aufbessern, damit diese auch eine schlecht bezahlte Stelle annehmen können. Glos zufolge sind die Chancen dieses Modells wegen „der sehr hohen sozialen Sicherung in Deutschland“ aber gering. Die Sozialhilfe wirke wie ein Mindestlohn und verhindere, dass die Unternehmen überhaupt ausreichend billige Arbeitsplätze anbieten würden. Ohne es deutlich zu sagen, forderte der Bundeswirtschaftsminister damit die Senkung von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II. Um diese und andere Fragen zu klären, schlägt Glos vor, dass die „vorgesehene Arbeitsgruppe Kombilohn schnell eingerichtet“ werden solle.

Auch in der Frage der Unternehmensteuern vermied Glos eine genaue Positionierung. Er begrüße zwar die geplante Senkung der Steuersätze für Unternehmen, wollte sich aber nicht auf eine Höhe festlegen.

Weitreichende Entscheidungen bereitet Glos derweil vor, ohne groß darüber zu sprechen. Nach Informationen des grünen Wirtschaftssprechers Matthias Berninger will das Wirtschaftsministerium in der kommenden Woche einen Gesetzentwurf zur Telekommunikation veröffentlichen. Darin wird laut Koalitionsvereinbarung geregelt, dass die Deutsche Telekom AG für wahrscheinlich zwei Jahre vor dem Wettbewerb im Breitbandnetz geschützt wird. Berninger hält das für die „Bevorzugung eines Monopolisten“. Vom Ministerium war dazu gestern keine Stellungnahme zu erhalten.