Härtetest im Westen

IM REGEN IN DER CITY WEST

Eine Ampel braucht der Regierende als alter Westberliner nicht

Der Kiezrundgang mit dem Regierenden Bürgermeister durch die City West steht von Anfang an unter keinem guten Stern. Eigentlich sollte der Termin ein ausführlicher Bummel durch die aufstrebende Gegend zwischen Bahnhof Zoo, Tauentzien und Wittenbergplatz sein. Doch schon über der ersten Station, dem Amerika Haus an der Hardenbergstraße, türmen sich an diesem Freitag dunkle Wolken. Während Klaus Wowereit von der Tourismusmetropole Berlin spricht, die ihren Status als Europas Hauptreiseziel Nummer drei – nach London und Paris – ausbauen konnte, krakeelt ein Mann mit Krücken lautstark auf Russisch dazwischen. Man geht zügig rein ins Amerika Haus, wo sich der Chef der C/O-Galerie für zeitgenössische Fotografie begeistert über seinen lange laufenden Mietvertrag zeigt. Immerhin 16 Jahre.

Für die Galerie, die lange keinen Ersatz für ihr bisheriges Domizil im Postfuhramt gefunden hat, ist der Umzug nach Westen eine frohe Botschaft. Und für den Westen umgekehrt auch. Bestätigt er doch die schöne Erzählung vom wieder aufstrebenden alten Charlottenburg. C/O wird sich das Haus mit der Bundeszentrale für politische Bildung teilen. Eine Kooperation mit dem Helmut-Newton-Museum in der Jebensstraße ist geplant, zusammen will man 200.000 Besucher pro Jahr anlocken. Noch während der Umbauarbeiten soll es Mitte Juli die ersten Ausstellungen im Außenraum geben. Und eine Ampel soll her, damit die Besucher gefahrlos die Straße zwischen den Ausstellungsorten überqueren können.

Eine Ampel braucht der Regierende als alter Westberliner nicht. Während die Presseleute noch unbeholfen mit den angebotenen Gratisschirmen hantieren, hat Wowereit bereits die Hardenbergstraße überquert. Die Erklärungen der Experten über ein geplantes neues Beleuchtungssystem gehen im Verkehrslärm unter – und im Krakeelen des Krückenmanns, der nach einem Mikro haut und den Regierenden bedenklich streift.

Am Tauentzien setzt ein Platzregen ein. Wowereit schreitet unbekümmert voran, hinein ins neu erbaute Waldorf Astoria Hotel, wo es in der Lounge Gelegenheit gibt, Fragen an den Baustadtrat und die Stadtreinigungschefin zu stellen: Warum ist die Bepflanzung des Tauentzien so spärlich geraten? Müssen es wirklich Eiben sein? Wowereit grinst. Es gefällt ihm sichtlich, dass es in der City West um Dinge geht, für die er nicht verantwortlich ist.

Eine Sirene ertönt, eine Lautsprecherstimme sagt: „Evakuieren Sie bitte zügig das Gebäude!“ Niemand weiß, was passiert ist. Wowereit schlendert ohne Eile zum Ausgang. Draußen schüttet es noch immer. „Schade, den Tauentzien-Spaziergang werden wir wohl verkürzen müssen.“ Er klingt enttäuscht. NINA APIN