GEHT’S NOCH?
: Und unseres ist eben schlecht!

OB VERGESSLICHE INLÄNDER ODER UNDANKBARE SÜDLÄNDER – BEIDEN SEI GESAGT: DAS WETTER IST GENAU RICHTIG

Wer dieser Tage auch nur kurz den Kopf aus dem Fenster heraus- oder in den Fernsehkasten hineinsteckt, wird nicht nur mehr oder weniger nass, sondern kann auch einen an Sirenengeheul gemahnenden Klageton vernehmen: Den Leuten ist das Frühlingswetter zu schlecht, dabei ist es doch eigentlich wie immer – mal so, mal so und nun eben so. Aber die Deutschen vergessen ja bekanntermaßen gern, was gestern war.

Das miesepetrige Gezeter geht dem Verständigen, der aufs große Ganze blickt, gehörig auf den Sack. Und auch der Romantiker schüttelt angesichts des realitätsfernen Lamentos nur das Haupt. Denn was gibt es Schöneres als unter beständigem Nieselregen durchs wie verrückt sprießende und schießende Grün zu spazieren? Dem Quaken der jungen Frösche, dem Jubelschrei des Regenpfeifers und dem beruhigend gleichförmigen Pladdern der Tropfen im Kanal zu lauschen? Blitz und Donner, sie leuchten und schlagen den Takt dazu, Freund Nebel lädt zum traulichen Versteckspiel in seinen dichten Munkelmantel. Wie ordinär ist doch im Vergleich die Sonne, wohlfeile Hure eines konservativen Konsenses, der nach einem geschmacklos blauen Himmel lechzt. Quotenwetter für Quotenmenschen.

Doch nicht nur die Unbelehrbaren aus der eigenen Landsmannschaft sind es, die beharrlich jaulen. Besonders laut sind die Klagen vieler neu Zugezogener aus dem mediterranen Bereich: zu nass, zu kalt, zu bäh. Erst kommen sie, um uns unsere Wohnungen wegzunehmen und unser Bier wegzutrinken, und dann wollen sie auch noch unser Wetter verbieten. Weil es ihnen nicht recht ist. Wüste, Karst und sengende Hitze: Was anderenorts unter dem Label „Naturkatastrophe“ läuft, ist ihnen schönes Wetter.

Und unseres ist eben schlecht – so einfach machen sie es sich. Dabei bedeutet Wasser Fruchtbarkeit. Unablässig strömt der Fluss des Lebens durch gluckernde Regenrinnen und überlaufende Gullideckel, rauscht in den satten Baumkronen, denen aber mal so richtig einer abgeht. Algen, Moos, Pilze, Rosenkohl gedeihen prächtig unter dem nährenden Element, und nicht zuletzt ist auch der Mensch feucht, sobald er sich nach Fruchterzeugung fühlt. Untenrum. Für obenrum, ein feiner Tipp, leistet gute Dienste auch ein Regenschirm. ULI HANNEMANN