schurians runde welten
: Da steht ein Schläfer im Tor

„Wir spielen für das iranische Volk, nicht für das Regime.“ (Uli Hoeneß)

So wie Alkohol die Zunge von Geheimnisträgern lockert, sollen auch Gefängnisse den wahren Zustand einer Gesellschaft anzeigen können. Seit einiger Zeit wird nun auch dem Fußball die Wirkung einer allgemeinen Wahrheitsdroge zugeschrieben: Auf dem Platz ließe sich bestens der politische Zeitgeist beobachten. Natürlich ist das an den Haaren herbeigeholt: Was sagt eine karierte Bettdecke oder das quietschende Knast-Linoleum über Deutschland aus, was es nicht auch über England sagen könnte? Was hat das Gerangel ums deutsche Tor, um Verteidigung oder Hurrafußball mit dem Zeitgeist zu tun? Nichts. Aber Philosophieren macht Spaß.

Ich schaue mir zur Zeit gerne den Afrikacup an, weil es ein großartiges Turnier ist mit fantastischen Spielern, was auch Eurosport begriffen hat und mehr als eine Führungskamera anbietet. So kann man endlich die Spieler genauer betrachten. Etwa den Torwart der Marokkaner, der nur deshalb im Tor zu stehen scheint, weil er dort Langarm-Trikots und lange Beinkleider tragen darf, was zum akkuraten Vollbart passt.

Meine Sensibilität für ihn und einen muslimischen Fußball, wurde auch dadurch gestärkt, das ich gerade meinen Kiosk wechseln muss, weil der Besitzer, ein bartloser Mann einer unverschleierten Frau, von Bacardi-Cola trinkenden und Chinesisch essenden Männern einen Stapel Broschüren ausgehändigt bekam, die er Studienrätinnen mit auf den Weg gab. Es entspinnt sich darin eine Verschwörungstheorie um einen gewissen Hempher, einen Briten, der die islamische Welt mithilfe des „Schiismus“ zu zerstören versuchte. Ob der Fußball zur imperialistischen englischen Strategie gehört, verrät das Büchlein nicht und auch nicht, was der muslimische Fundamentalist für einen Fußball favorisiert? Elf Torhüter? In Trainingsanzügen dehydrierende Feldspieler? Sind die Tunesier nicht mal so aufgelaufen?

Immerhin: Der Budenbesitzer – ich habe ihn auch schon aus frischer Tat als Schläfer erwischt – schaut weiter türkische Liga mit nackten Knien. Seine angetrunkenen Glaubensbrüder müssen hier noch einmal unbedingt für den antibritischen Fußball nachbessern. Dass der arabische Glaubensraum sich auch auf diesem Feld sehr wohl zu wehren weiß, beweist der falsche Scheich, der Englands Nationaltrainer Sven-Göran Eriksson beim Luxusnachmittag Wechselabsichten und Lästereien entlockte.

27.1. Gladbach - München

Wenn am Abend die Bundesligarückrunde startet, wird das Gastspiel der Bayern in Teheran gewiss endgültig vergessen sein. Dabei zeigte das iranische Fernsehen vor zwei Wochen wie man Fußballhegemonie herstellt: Ins laufende Bild wurden einfach Parolen eingeblendet. „Die friedliche Nutzung der Atomenergie ist das Recht aller freien Völker.“