Wenn man verlernt, wie man gewinnt

FUSSBALL-BUNDESLIGA Hannover 96 blamiert sich im Heimspiel gegen Werder Bremen und setzt mit einem 1:5 seine Negativserie fort. Im Abstiegskampf gehen den Niedersachen nun langsam die Erklärungen aus

Die einzigen Zahlen, die gegenwärtig für Hannover 96 sprechen, sind die der beiden Tabellen-letzten aus Nürnberg und Berlin

VON CHRISTOPH ZIMMER

Es ist ein fast schon absurdes Schauspiel, das sich da Woche für Woche wiederholt. Denn die Verantwortlichen des verzweifelt nach sich selbst und einem Erfolgserlebnis suchenden Bundesligisten Hannover 96 müssen immer wieder neue Antworten auf die immer wieder gleichen Fragen finden. Die vielleicht wichtigste dieser Fragen ist folgende: Was macht ihnen nach den zuletzt so unglaublich schwachen Darbietungen überhaupt noch Hoffnung im Abstiegskampf?

Darauf eine Antwort zu finden ist manchmal gar nicht so leicht. Vor allem dann nicht, wenn man zuvor im Niedersachsenstadion beim 1 : 5 (0 : 4) gegen Werder Bremen – ohne große Anstrengungen der Gäste – vor 44.379 Zuschauern gedemütigt und vorgeführt worden war. „Wir werden den Spielbetrieb nicht einstellen“, sagte Jörg Schmadtke, Hannovers Sportdirektor.

Der freie Fall

Das werden sie natürlich nicht, die Saison ist schließlich lang, der Verlust des Bundesligastandorts noch zu verhindern. Doch es sind Sätze wie diese, leise und ratlos gesprochen, die einen tiefen Einblick in das Seelenleben der Niedersachsen in dieser schwierigen Situation geben und zeigen, dass langsam die Erklärungen dafür ausgehen, wie denn der freie Fall noch aufzuhalten sei. Die Lösung für das Problem ist einfach – und doch so weit entfernt. „Die Mannschaft braucht ein Erfolgserlebnis“, weiß Schmadtke. „Wir müssen endlich einmal in Führung gehen“, glaubt Mittelfeldspieler Jan Schlaudraff.

Dabei waren die Bemühungen in den letzten Wochen durchaus groß, Argumente in eigener Sache zu finden. Aber weder unter dem neuen Trainer Mirko Slomka noch mit den beiden Neuzugängen Elson und Arouna Koné haben sie zurück in die Spur gefunden. Die letzten sieben Spiele wurden verloren, die letzten elf nicht mehr gewonnen. Die einzigen Zahlen, die gegenwärtig für sie sprechen, sind die von den beiden Tabellenletzten aus Nürnberg und Berlin. Nur weil die direkten Konkurrenten nacheinander Möglichkeit um Möglichkeit vergeben, behauptet Hannover den Relegationsplatz – ohne selbst etwas dafür zu tun.

In Hannover wird die Gefahr besonders deutlich, die solche Serien mit sich bringen: dass man das Siegen verlernen kann. Ein einziger Moment reicht oft schon aus, um einer verunsicherten Mannschaft, die sich viel vorgenommen hat, das Gefühl der Verletzlichkeit wiederzugeben. Das Tor des Bremer Mittelfeldspielers Peter Niemeyer (11.) war so ein Moment. „Nach dem null zu eins sind wir in eine Schockstarre verfallen“, hatte auch Slomka erkannt. „Sobald wir ein Gegentor kriegen, brechen wir auseinander“, sagte Schlaudraff. „Davon erholen wir uns nicht mehr. Das ist ein Problem, das wir im Kopf umstellen müssen.“ Wie das gelingen soll, dassagten sie nicht. Wieder einmal.

Was solch ein einziger Moment bewirken kann, konnte man auch im Spiel der Bremer beobachten. Nur eben umgekehrt. Nach der frühen Führung ließen die Gäste Ball und Gegner nach Belieben laufen. Die totale spielerische Dominanz der Bremer war fast schon ein wenig peinlich – die weiteren Treffer von Naldo (18.), Aaron Hunt (44.) und Claudio Pizarro (68.) sowie das Eigentor des ehemaligen Bremers Leon Andreasen (26.) konnten keinen mehr überraschen. „Die Mannschaft hat gut harmoniert. Das gibt Sicherheit und Selbstbewusstsein“, sagte Thomas Schaaf, Werders Trainer. Sportdirektor Klaus Allofs sah in der Leistung und dem dritten Pflichtspielsieg hintereinander eine „Bestätigung der letzten Wochen“.

Auf Europa-League-Kurs

Der Rückstand zum fünften Tabellenplatz, der für die Europa-League qualifiziert und derzeit noch von Borussia Dortmund gehalten wird, beträgt nur noch zwei Punkte. Auf dem Weg in das internationale Geschäft will man sich nicht wie in der vergangenen Saison nur auf die Pokalwettbewerbe verlassen. „Wir haben wieder Fahrt aufgenommen. Der Zug nach oben ist noch nicht abgefahren“, sagte Allofs, der darauf hofft, dass aus der kleinen eine große Serie wird. In Hannover wollen sie ihre am liebsten sofort beenden. Sie wissen nur noch nicht, wie.