KOMMENTAR: GERNOT KNÖDLER ÜBER DEN SCHULSTREIT
: Die Kraft des Staates für die Schwächsten

Die Volksentscheide werden den Trend zur Entsolidarisierung nicht brechen

Die Bildungspolitik treibt die Deutschen auf die Barrikaden. Dabei ist durchaus umstritten, welche Richtung einzuschlagen ist. In Niedersachsen kämpft eine Bürgerinitiative gegen das Abitur nach zwölf Jahren und für mehr Gesamtschulen. In Hamburg wird das Volk im Sommer entscheiden müssen, ob alle Kinder bis zur sechsten Klasse einschließlich gemeinsam unterrichtet werden sollen.

Das Bürgerbegehren in Niedersachsen lässt sich als Kampf für ein eher egalitäres Schulsystem verstehen, das Begehren in Hamburg als Versuch, die Stärkung des egalitären Elements zu verhindern. Vor dem Hintergrund einer wachsenden Entsolidarisierung der Gesellschaft und von Kräften, die diese vorantreiben wollen, steckt im Streit um die richtige Schulpolitik etwas Grundsätzliches.

Zugleich sind sehr viele WählerInnen in ihrer Rolle als Eltern in den Streit emotional involviert. Sie haben wenige Kinder, in die sie große Hoffnungen setzen. Ein Teil von ihnen ist bereit, an die Grenzen des Rechtsbruchs zu gehen, um ihren Kindern eine aus ihrer Sicht gute Ausbildung zu ermöglichen.

Es ist zu befürchten, dass die Volksentscheide den Trend zur Entsolidarisierung, zum eigenen Weg fürs eigene Kind nicht brechen, selbst wenn sie zu klaren Ergebnissen führen. Dem kann die Politik nur begegnen, indem sie ihre Kraft in die Schulen für die Schwächsten steckt.