Kreuz am Wahltag

Hamburgisches Verfassungsgericht äußert Bedenken gegen die Beschränkung von Volksentscheiden

„Das sieht nicht gut aus.“ Knapp brachte Wilhelm Rapp, der Präsident des Hamburgischen Verfassungsgerichtes es gestern auf den Punkt. Gemünzt waren seine Worte auf die rechtliche Bewertung des Änderungsgesetzes des CDU-Senats vom 4. Mai 2005 zum Volksabstimmungsgesetz von 1996. Darin wurde die bisherige Praxis geändert und verboten, Volksentscheide an einem regulären Wahltag abzuhalten.

Nicht nur an „Sinn und Zweck“ dieses Änderungsgesetzes äußerte Rapp „ernste Zweifel“. Vielmehr sagte er, die Verfassungsorgane hätten bei der Verabschiedung der Volksgesetzgebung „genau das Gegenteil gewollt“.

Kläger im Normenkontrollverfahren, über das gestern vor dem Verfassungsgericht verhandelt wurde, sind formell die Bürgerschaftsfraktionen von GAL und SPD, betroffen von den Änderungen indes zurzeit drei Volksinitiativen. Diese berufen sich auf die Hamburgische Verfassung, in der es seit 1996 heißt: „Während eines Zeitraums von drei Monaten vor dem Tag einer allgemeinen Wahl in Hamburg finden keine Volksbegehren oder Volksentscheide statt.“ Für Rapp ist dieser Passus zwar eine „typische Hamburgensie“, denn „eine Sperrfrist gibt es in keinem Bundesland außer Bayern“.

Dort indes sei die Regelung, nur in Frühling und Herbst Volksabstimmungen durchzuführen, zumindest plausibel: Im Sommer hätten früher die Bauern die Ernte einholen müssen, im Winter liege oft hoher Schnee. Der Vorstoß des CDU-Senats dagegen konterkariere direkt Wortlaut und Willen der Verfassung, sagte Rapp. Die Senats-Argumentation, die Hamburger kämen bei zwei Abstimmungen am selben Tag durcheinander oder die Bürgerschaftswahlen könnten in den Hintergrund treten, sei schon durch die Praxis widerlegt: 2003 übertrugen die HamburgerInnen der CDU die Regierungsverantwortung und votierten zugleich gegen den vom CDU-geführten Senat betriebenen Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser.

Die Geschichte des Volksabstimmungsgesetzes belegt für das Gericht „absolut eindeutig“, dass gewollt war, was jetzt verboten ist. „Alle wollten bei der Gesetzgebung Volksentscheide auf einen Wahltag kanalisieren“ so Rapp, was unter dem Begriff „Trichterlösung“ gehandelt wurde. Für ihn sei klar, dass Verfassungsnormen nicht gesetzeskonform zu interpretieren seien, sondern Gesetzesnormen verfassungskonform zu sein hätten.

Ein Urteil wird am 31. März verkündet. KAI VON APPEN