Polizeioffizier in Genua schwer belastet

Erster deutscher Zeuge sagt beim Prozess gegen 29 Polizeibeamte wegen Gewalt gegen G-8-Gipfelgegner aus

ROM taz ■ Mit der Vernehmung von zwei Berlinern hat in Genua die Anhörung der deutschen Zeugen im Prozess gegen 29 Polizeibeamte begonnen, die am 21. Juli 2001 beim Sturm auf die von Gegnern des G-8-Gipfels als Schlafquartier genutzte Diaz-Schule mehr als sechzig Gegner des G-8-Gipfels teils schwer verletzt haben.

Gestern sagte die 25-jährige Berlinerin Anna Julia Kutschkau aus. Welches Trauma die Prügelorgie bei ihr hinterlassen hat, wurde allzu deutlich: Das Gericht musste die Verhandlung zehn Minuten unterbrechen, als die Zeugin in Tränen ausbrach. Sie hatte mit Freunden im ersten Stock der Schule geschlafen, als die Polizisten hereinstürmten. Kutschkau wurde Opfer von Schlägen und Tritten. Sie trug unter anderem ein Schädeltrauma, einen Kieferbruch und mehrere ausgeschlagene Zähne davon.

Am Mittwochnachmittag hatte das Gericht den 26-jährigen Steffen Sibler aus Berlin angehört. Auch Sibler hatte im ersten Stock der Scuola Diaz genächtigt. Er beobachtete aus dem Fenster, wie die Polizei mit einem Panzerwagen das Schultor aufbrach. Die Beamten stürmten in den Saal und begannen zu prügeln. Sibler erlitt ein Schädeltrauma, eine Wunde am Schienbein und Blutergüsse an der gesamten rechten Körperhälfte.

An Siblers Aussage war vor allem wichtig, dass er sich genau an die Uniformen der Beamten erinnern konnte. Gewöhnlich tragen italienische Bereitschaftspolizisten weiße Koppeln. Die Koppeln der in der Diaz-Schule prügelnden Beamten waren schwarz. So war nur eine Einheit ausgerüstet worden: die extra für den G-8-Gipfel von Genua zusammengestellte und trainierte 7. Einsatzgruppe der Bereitschaftspolizei Rom. Sie allein verfügte über die speziellen US-amerikanischen Tonfa-Schlagstöcke, an die sich Sibler ebenfalls präzise erinnerte. Außerdem wusste er zu berichten, dass ein Vorgesetzter der Gewaltorgie mit dem Ruf „basta, basta“ ein Ende gesetzt habe.

Stark belastet wird durch diese Aussage der Polizeioffizier Vincenzo Canterini, der die 7. Einsatzgruppe befehligte. Er wird aber kaum Konsequenzen fürchten müssen. Trotz der Anklage in Genua wurde er vom Innenministerium 2005 sogar befördert. Am Nachmittag sollte der Prozess mit der Aussage dreier weiterer Berliner Zeugen fortgesetzt werden. MICHAEL BRAUN