Integration ja, Erweiterung nein

Das neue Eurobarometer zeigt: Die Deutschen sehen die EU-Politik immer skeptischer

BERLIN taz ■ Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Die Zustimmung der Deutschen zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist innerhalb eines halben Jahres von 58 auf 53 Prozent gesunken, die Ablehnung künftiger EU-Erweiterungen dagegen von 40 auf 59 Prozent gestiegen. Vor allem aber: 84 Prozent der 1.534 im Herbst befragten Deutschen haben Angst vor einer Verlagerung von Arbeitsplätzen in die neuen EU-Staaten. „Die Meinung, dass die Politik der EU deutsche Arbeitsplätze gefährde, trägt offensichtlich bei vielen der Befragten zu einem schlechten Bild der Union bei“, lautet ein Ergebnis des „Eurobarometers“, das die Vertretung der EU-Kommission in Deutschland gestern in Berlin vorstellte.

Doch wie aussagekräftig sind diese Zahlen wirklich? Zumindest tauchen bei näherem Hinsehen einige Widersprüche und Fragen auf. So verbinden 56 Prozent der Deutschen mit der EU die Freiheit, zu reisen, zu studieren und zu arbeiten. Doch gerade diese Freizügigkeit im Binnenmarkt führt ja zu der wachsenden Konkurrenz mit anderen Ländern, vor der die Deutschen so große Angst haben.

Obwohl nur mehr 40 Prozent der Deutschen ein positives Bild von der EU haben, sind 61 Prozent dafür, dass diese sich zu einer wirklichen politischen Union entwickelt. Und obwohl die Deutschen die EU für den Verlust sozialer Standards mitverantwortlich machen, erwarten gleichzeitig 54 Prozent, dass die oberste Priorität der EU der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit sein sollte. Heißt das also, die Bundesbürger sind für die EU, aber für eine andere, irgendwie „sozialere“?

Einen Beleg dafür könnten die Zahlen zur Verfassung liefern. So sprechen sich 74 Prozent der Deutschen, 67 Prozent der Franzosen und 62 Prozent der Niederländer für eine solche Verfassung aus – und dies, obwohl sie für viele Politiker bereits als „tot“ gilt. Andererseits fordern 50 Prozent, die Verfassung neu zu verhandeln. Welche Themen diese Verhandlungen umfassen sollten, danach fragte das Eurobarometer nicht.

Auch im Vergleich mit politischen Institutionen in Deutschland steht die EU nicht schlecht da. 39 Prozent vertrauen ihr. Das ist zwar nicht viel, doch kommt der Bundestag kommt nur auf 36 Prozent, die Parteien bringen es gerade mal auf 18 Prozent.

Vielleicht wissen die Deutschen einfach zu wenig über die EU, um eine konsistente Einschätzung abgeben zu können? Die Antworten zur Struktur des EU-Haushalts bestätigen diese These. So meinten 43 Prozent, der größte Teil des Geldes fließe in die Verwaltung. Tatsächlich werden dafür 6 Prozent ausgegeben. Nicht einmal jeder Fünfte konnte den größten Ausgabentopf nennen, die Agrarpolitik. So geben dann auch 39 Prozent an, gern mehr über die EU wissen zu wollen, 53 Prozent möchten stärker in europäische Angelegenheiten eingebunden sein. Ihr Problem hat das Eurobarometer so zusammengefasst: „Sie wissen nicht, wie sie das bewerkstelligen sollen.“ SABINE HERRE