Diplomatie im Wartestand

Die USA, die EU und auch Deutschland zeigen sich beunruhigt über den Hamas-Sieg, halten sich aber im Ton zurück

AUS WASHINGTONADRIENNE WOLTERSDORF
,AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER
, AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Das palästinensische Wahlergebnis bringt die US-Nahostdiplomatie heftig in die Bredouille. So lauteten nach Bekanntwerden der ersten Umfragen aus Ramallah am Mittwoch die Reaktionen von US-Beamten in Washington: Was tun mit einer demokratisch gewählten Organisation, die Präsident Bush als Verhandlungspartner ablehnt? Von den USA ist die Hamas zur „terroristischen Organisation“ erklärt worden, weil sie sich bislang nicht offiziell vom Ziel distanziert hat, Israel vernichten zu wollen.

US-Außenministerin Condoleezza Rice begrüßte in einem Telefongespräch mit Präsident Mahmut Abbas am Mittwochabend die palästinensische Demokratie. Nach Angaben von Abbas’ Mitarbeiter Nabil Abu Rdeneh soll Rice versichert haben, dass die US-Administration weiterhin den gewählten Präsidenten und seine Politik unterstützen wird. In einer Videokonferenz mit Teilnehmern des Weltwirtschaftsforums im schweizerischen Davos zeigte sich Rice gestern überzeugt, dass die Palästinenser trotz des Wahlausgangs weiter für den Frieden mit Israel seien.

US-Präsident George W. Bush hat derweil die Hamas erneut aufgefordert, dem Ziel einer Zerstörung Israels abzuschwören. Niemand könne sich an einem Friedensprozess beteiligen, der seinen Partner zerstören wolle, sagte Bush gestern. Die USA hofften, dass Präsident Mahmud Abbas im Amt bleibe und daran arbeite, den Friedensprozess voranzubringen, betonte der US-Präsident. Das Wahlergebnis sei auch ein Weckruf „an die alte Garde, die ihren Augen öffnen sollte“. Die Menschen wollten eine „ehrenhafte Regierung“ sowie funktionierende staatliche Dienste. Auf jeden Fall sei die Wahl ein weiteres Zeichen für die Ausbreitung der Freiheit im Nahen Osten, so Bush. Seine Aussage ließ nach Meinung von Beobachtern offen, ob sienicht doch Raum biete für eine Zusammenarbeit mit einer palästinensischen Regierung, an der Hamas beteiligt sei. Man könne einen Kompromiss finden, indem die USA nicht direkt mit Ministern verhandele, die der Hamas angehören. Dafür gibt es bereits ein Vorbild: So unterstützen die USA Libanons Regierung, obwohl ein Regierungsmitglied von der Hisbollah ist, die ebenfalls als Terrororganisation eingestuft wurde.

Mit äußerster Zurückhaltung nahm die EU zum Ergebnis der palästinensischen Wahlen Stellung. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner äußerte sich erfreut, „dass die Wahlen offensichtlich friedlich waren“. Was eine mögliche Zusammenarbeit der EU mit der Hamas angeht, blieb sie bei dem, was sie vor einer Woche bereits bei ihrer Palästinareise gesagt hatte: „Wir arbeiten mit jeder Regierung zusammen, die mit friedlichen Mitteln den Frieden erreichen will“, so Ferrero-Waldner.

Ihre Sprecherin bestätigte, dass die Hamas derzeit auf der Liste terroristischer Organisationen stehe, die von den EU-Regierungen geführt wird. Die EU arbeite aber ohnehin nicht mit Parteien zusammen, sondern mit der künftigen palästinensischen Regierung. Bevor das Wahlergebnis offiziell bestätigt sei, werde sich die EU dazu nicht weiter äußern.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte im Bayerischen Rundfunk: „Wir können uns unterschiedliche Kräfte in der Regierung vorstellen.“ Voraussetzung sei allerdings, der Gewalt abzuschwören und das Existenzrecht Israels anzuerkennen, so Steinmeier. „Das scheint für die Hamas noch ein weiter Weg zu sein.“

Jürgen Trittin, außenpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, sagte zur taz: „Man muss festhalten: Die Wahlen waren frei und geheim. Insofern ist das Ergebnis erst einmal zu akzeptieren. Wir können allen in Palästina, in Israel, in den USA und in der EU nur raten, darauf mit Besonnenheit zu reagieren. Wir erwarten von jeder palästinensischen Regierung zwei klare Positionen: erstens Anerkennung des Prinzips der Zweistaatlichkeit, zweitens Abkehr vom Terrorismus.“

Ungeachtet des Wahlausgangs will Bundeskanzlerin Merkel (CDU) an ihrer Nahostreise festhalten, so ein Regierungssprecher gestern. Sie fliegt am Sonntag nach Israel und wird am Montag auch die palästinensischen Autonomiegebiete besuchen. Auf dem Programm steht ein Treffen mit Präsident Mahmud Abbas.