Gottschalk sagt
: Erstmal nach Guantanamo

Winter in NRW: Nicht nur auf dem kahlen Asten, sogar bei uns in Köln. Es gibt zwei Sätze, die ich im Moment nicht hören will: „Ach, so `ne trockene Kälte finde ich eigentlich ganz schön“ und „Wolltest Du in diesem Jahr nicht unbedingt Sport treiben?“. Erstens: Auch trockene Kälte ist kalt. Zweitens: Das Jahr ist gerade mal 27 Tage alt. Bleiben noch 327 Tage an denen ich durchaus Sport treiben kann. R. hat vorgeschlagen, wir sollten mal zum Squash gehen. Was ich daran toll finde, ist, dass Squash nicht „Retro“, sondern ernsthaft unmodern ist, ungefähr so unmodern wie ein Mittelscheitel für Herren (mit Frotteestirnband). Squash steht für so eine Sascha-Hehn-artige Erotik und eigentlich muss man mit einem Mercedes-Coupé der 123er Reihe oder einem weißen Golf-Cabrio hinfahren. Squash war in den achtziger Jahren die Sportart, bei der das mittlere Management sich gegenseitig seine Leistungsfähigkeit bewies, bevor sie in den Neunzigern bei Survival-Camps gedemütigt wurden und danach aussahen wie Klaus-Jürgen Wussow.

Aber Squash ist schlecht für die Gelenke. M. dagegen wollte mit mir schwimmen gehen, leider sieht man uns in Schwimmkleidung genau an, warum wir schwimmen gehen, nämlich nicht zum Spaß. M.‘s Theorie, zwei dicke Männer fielen in einem Schwimmbad nur halb so viel auf wie einer, halte ich wirklich für ausgemachten Unsinn. Schon rein rechnerisch. Aber: Schwimmen soll ja unheimlich gut für die Gelenke sein.

Bergisch-Gladbach weltweit: Heidi Klum sucht „Germanys next Topmodel“. Wieder so eine Sendung, in der man lernt, dass der Weg zum Ruhm mit Tränen und vor allem Arbeit gepflastert ist. Wenn ich was zu melden hätte, käme jeder amerikanische Sonstwas-Trainer, der sagt: „Hundertfunfzig percent! Du musst harter arbeiten“ erstmal nach Guantanamo. Umlaute üben. Und überhaupt. Die Zielgruppe der Sendung sind, glaube ich, junge Mädchen aus sozialen Brennpunkten und Männer, die gerne essgestörten Frauen beim Umziehen zuschauen und deshalb im Squash-Center Hausverbot haben.

Nordic Walking geht gar nicht. Zum Rad fahren ist es zu kalt. Fitnesscenter ist zu teuer. Außerdem hätte ich im Fitnesscenter das Gefühl: „Sie haben mich. Sie haben mich so weit. Die Schweine. Sie haben gewonnen, ich mache mit.“ Wenn sie verstehen, was ich meine. Ich höre jetzt die neue Platte von „Element of Crime“, das Stück heißt „Delmenhorst“, im Notfall kann ich da noch hinziehen: „Ich hab jetzt Sachen an, die du nicht magst / Und die sind immer grün und blau / Ob ich wirklich Sport betreibe / Interessiert hier keine Sau.“

Fotohinweis: CHRISTIAN GOTTSCHALK lebt in Köln und sagt die Wahrheit – alle zwei Wochen in der taz