Hoffnungsträger in der Provinz

Die Geschichte von Sherif Touré Cougbadja zeigt, wie das System Profi-Fußball die Biografien afrikanischer Spieler verändert. Mit großen Hoffnungen bei Hannover 96 gestartet, spielt der togolesische Auswahlspieler nun bei Concordia Ihrhove – in den Niederungen der niedersächsischen Bezirksliga

von Oke Göttlich

Natürlich ist Sherif Touré Cougbadja traurig. Weniger über die schmerzliche 2:0-Auftaktniederlage gegen die Demokratische Republik Kongo beim Afrika-Cup. Der Konflikt zwischen Nationaltrainer Stephen Keshi und dem togolesischen Superstar Emmanuel Adebayor bedrückt ihn mehr. Der sonst sehr fröhliche Sherif Touré möchte aber nicht darüber sprechen – seine Teamgefährten nehmen das Medieninteresse an ihm ohnehin schon verwundert zur Kenntnis. Zwischen ihre ungläubigen Blicke mischt sich häufiger ein Lächeln.

In den ersten Tagen des Afrika-Cups in Ägypten musste der 23-jährige Spieler des niedersächsischen Bezirksligisten Concordia Ihrhove eine Vielzahl von Terminen wahrnehmen. Die ARD war mit einer Kamera vor Ort, ebenso das ZDF. Deutsche Journalisten wollen mit Touré über den WM-Teilnehmer Togo sprechen und auch seine Geschichte immer wieder hören. Als möglicher WM-Spieler aus der siebten deutschen Liga gilt man wohl als Exot und muss solche Strapazen über sich ergehen lassen. „Mein Bruder fragt mich schon, wer ich denn da in Deutschland sei. Und dann lacht er“, sagt Touré.

Sein Bruder belustigt sich wohl zu Recht darüber, wie das Mediengeschäft läuft. Denn es war dieser Bruder, Abdelkader Cougbadja, der Togo den größten Erfolg der Fußballgeschichte bescherte. Im letzten Qualifikationsspiel im Kongo erzielte er in der 60. Minute den nötigen Ausgleichstreffer zum 2:2 und legte sogar noch das 3:2 nach. Eine Geschichte, die Sherif Touré voller Stolz berichtet.

Für Sherif Touré ist sein Bruder auch der Star, auch wenn sie als Stürmer direkte Konkurrenten um einen Platz im WM-Kader Togos sind. Doch obwohl Sherif Touré Chancen hat, für sein Land bei der Fußball-WM in Deutschland anzutreten, spielt er immer noch in der siebten Liga. „Natürlich ist das ein Problem mit der Klasse“, sagt Sherif Touré. „Der Trainer würde gern, dass ich höher spiele, um Erfahrung zu sammeln.“ Aber bisher hat kein Verein angeklopft.

Dabei hatte es so hoffnungsvoll begonnen. Mit 16 kam Touré zu Hannover 96 – der ehemalige Präsident Klaus-Dieter Müller hatte ihn bei einem Jugendländerspiel gegen Südafrika entdeckt. Die Hoffnung, in Afrika einen Superstar zu finden, auszubilden und teuer weiterzuverkaufen, ist verlockend. Drei Jahre blieb Touré bei Hannover 96, spielte bei den Amateuren und kam sogar zu wenigen Einsätzen bei den Profis – damals noch in Liga zwei. Im Jahr 2001 wechselte Touré dann zum damaligen Oberligisten Ihrhove. „Ich hatte Probleme mit der Sprache und der Mentalität in Hannover.“ Einmal sei er statt um 17 Uhr um sieben Uhr am verabredeten Treffpunkt erschienen.

In Ihrhove schwang ein ambitionierter Bauunternehmer das Zepter und hatte große Pläne mit dem Verein. Sie erwiesen sich als Luftschlösser. Die nahende Pleite des Vereins wurde zwar abgewendet, aber die Mannschaft fand sich in der Bezirksklasse wieder. Touré blieb. Auch weil er keinen Berater hatte, der ihn zu einem besseren Verein hätte lotsen können. Über den Afrika-Cup würde er sich gerne für andere Vereine empfehlen. Doch das Problem ist nicht sein spielerisches Vermögen, sondern das Arbeitsrecht. Nicht mal bei einem Regionalligisten dürfte er einen neuen Vertrag unterschreiben. Denn der DFB sieht vor, dass Spieler aus dem nichteuropäischen Ausland nur als Profis unter Vertrag genommen werden dürfen. Touré aber hat Amateurstatus.

So bleibt für ihn eigentlich nur der Ausweg ins Ausland. „Ich möchte aber gern in Deutschland bleiben, weil ich mich inzwischen an den Alltag hier gewöhnt habe“, sagt Touré. Ein Wechsel nach Frankreich, wo sein Bruder beim Erstligisten FC Sochaux unter Vertrag steht, wäre nur eine letzte Alternative. „Da würde ich wieder bei null anfangen.“ Lieber möchte sein Bruder in Deutschland spielen. „Neulich habe ich mir einen Spaß erlaubt und habe ihn auf Deutsch angerufen. Ich sagte, ich bin Rudi Assauer von Schalke 04.“ Da haben sie wieder beide gelacht.

Erstmal wird Sherif Touré sein Leben in Ihrhove wohl alleine ertragen müssen. Vier mal trainiert er die Woche und organisiert sich zusätzlich eigene Trainingseinheiten. Ansonsten schaut er in seiner Freizeit viel Fußball im Fernsehen. „DSF und Eurosport und so.“ Ein schwacher Trost: 750 Euro verdient Touré im Monat. Damit ist er der teuerste Spieler bei Concordia Ihrhove.