Tage mit Taschentuchpflicht

DFB-POKAL Nach dem 3:2-Finalerfolg gegen Stuttgart und der Vervollständigung des Triples scheint Bayern-Trainer Jupp Heynckes endlich in Abschiedsstimmung zu geraten

Heynckes hat den totalitären Erfolgsanspruch des FC Bayern auf allen erdenklichen Ebenen eingelöst

AUS BERLIN JOHANNES KOPP

Es war vollbracht. Und zwei der Wundertäter des FC Bayern München wurden in den Katakomben des Berliner Olympiastadions aufs Podium gebeten, um zu verkünden, wie sich das anfühlt, nach der deutschen Meisterschale und der Champions-League-Trophäe nun auch noch den DFB-Pokal in die Höhe recken zu dürfen. Sie sollten ein erstes Zeugnis ablegen von diesem einmaligen Geschehnis in der deutschen Fußballgeschichte.

Es war ein auffällig ungleiches Paar, das da nach dem knappen 3:2-Finalerfolg gegen den VfB Stuttgart nebeneinandersaß. Der eine im weißen Vereinsshirt, der andere im schwarzen. Der eine sehr schmächtig wirkend, der andere von imposanter athletischer Statur. Der eine sichtlich erschöpft und von seinem eigenen Erfolg überwältigt, der andere stoisch dreinblickend und seine Emotionen sortierend wie ein Buchhalter. Der eine vermutlich nur drei Tage entfernt vor der öffentlichen Erklärung seines Karriereendes, der andere mit noch sehr viel Zukunft vor sich. Jupp Heynckes und Manuel Neuer.

Die letzte Differenz zwischen den beiden war von besonderer Bedeutung. Vor allem vor dem Hintergrund, dass beide an diesem Samstagabend auf dem Höhepunkt ihrer sportlichen Laufbahn schwebten. Auch wenn der Trainer die Erklärung, ob er seine Karriere fortsetzen wird, noch einmal auf eine eigens dafür in München geplante Pressekonferenz am Dienstag verschob, so verrieten seine Äußerungen bereits, dass der Ruhestand naht. Es klang fast schon tröstend, als er seinem 27-jährigen Torwart mitteilte: „Toppen geht schwer, aber vielleicht irgendwann gleichziehen.“ Und mit dem Verweis auf die noch Jüngeren sagte er: „ Alaba ist 20 Jahre alt, Shaquiri auch. Das ist ja ein Wahnsinn, wenn du mit 20, 23 oder 24 schon das Triple erreichst.“

Heynckes ist von diesem „Mehr geht nicht“-Gefühl berauschter als alle anderen. Die Aussicht darauf hat ihn spätestens seitdem der allseits so bewunderte Pep Guardiola in München als sein Nachfolger vorgestellt wurde, noch einmal mit juvenilem Ehrgeiz erfüllt. Auf die Frage, ob der nächste Weltfußballer des Jahres nicht vom FC Bayern kommen müsse, entgegnete Heynckes, dass es ja noch die Wahl zum besten Spieler Europas und Deutschlands gebe und aus seiner Sicht vier Bayern-Spieler – nämlich Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm, Franck Ribery und Thomas Müller – diese Titel unter sich aufteilen werden. Rechnerisch geht das zwar nicht auf, aber zur Not wird eben noch eine vereinsinterne Wahl ausgerufen.

Heynckes nutzte auch am Samstag noch einmal jede Gelegenheit, um zu demonstrieren, dass er den totalitären Erfolgsanspruch des FC Bayern auf allen erdenklichen Ebenen eingelöst hat. Eine Leistung, die er gewiss als den letzten Eindruck seiner Karriere in der öffentlichen Wahrnehmung konserviert wissen will. Einen perfekteren und emotionaleren Abgang kann man sich nicht vorstellen. Am Dienstag ist beim FC Bayern gewiss Taschentuchpflicht.

Anders als Jupp Heynckes mussten sich seine Spieler bereits am Samstag mit der Ruhelosigkeit ihres Metiers auseinandersetzen. Ein englischer Reporter wollte von Arjen Robben wissen, ob der FC Bayern nun die nächsten Jahre den Weltfußball beherrschen würde. „Maybe“, antwortete der Niederländer achselzuckend. Und er fügte noch entschuldigend hinzu, er wolle sich mit solchen Fragen nicht beschäftigen, sondern den Moment genießen. Den deutschen Kollegen wiederum musste Robben, nachdem er um eine Einschätzung gebeten wurde, was Guardiola nun beim FC Bayern noch erreichen könne, erklären: „Jetzt denke ich noch nicht an nächste Saison.“

An eine sportliche Würdigung des Finalgegners, des VfB Stuttgart, wollte scheinbar an diesem Tag bei den Münchnern auch kaum einer denken. Nur während einer Schwächephase zu Beginn der zweiten Hälfte drohten die Schwaben vom FC Bayern überrollt zu werden. Ansonsten leisteten sie tapfer Widerstand und hatten sogar nach den beiden Treffern von Martin Harnik die Möglichkeit auszugleichen.

Doch stattdessen degradierte Thomas Müller die Stuttgarter hernach launig zu Statisten, die lediglich ihre Rolle erfüllt hatten in einem von den Münchnern gekonnt dramatisch inszenierten Schlussakt der Saison. Er sagte: „Hintenraus kamen vielleicht noch ein paar Pulsschläge mehr dazu auf der Trainerbank. Das war ganz gut, mit so einem Ergebnis aufzuhören und nicht mit irgendeinem hohen Ergebnis.“ Klar doch, der FC Bayern ist ja auch nicht irgendwer.