Hand in Hand

Nach dem 31:31 gegen Weltmeister Spanien stehen die deutschen Handballer bei der EM gegen die Slowakei nun vor einer Pflichtaufgabe

AUS BASEL JOACHIM KLAEHN

„Die deutsche Überraschung“, titelte am gestrigen Freitag nach dem spektakulären und bis zum letzten Wimpernschlag dramatischen Eröffnungsspiel der siebten Handball-Europameisterschaft die Basler Zeitung. Und im Anriss auf der Titelseite war sogar von zwei Weltklasseteams die Rede, die den 5.300 Besuchern in der St.-Jakobs-Halle hochklassige Kunst geboten hätten. Nun, in Basel mit über 30 Museen und Galerien verstehen sie wirklich etwas von Kunst, auch wenn es in den genannten Fällen leicht übertrieben klingen mag. Denn wie es der Name dieser urdeutschen Mannschaftssportart bereits andeutet, geht es bei der Jagd um den kleinen Ball um Hand-in-Hand-Arbeit. Die Brand-Sieben legte beim 31:31 (16:15) gegen den vermeintlich übermächtigen Weltmeister eine Kampfbereitschaft, Leidenschaft und Frechheit an den Tag, die den stolzen und siegesgewissen Iberern schwer zusetzte.

Weniger überrascht vom Engagement der Auswahl des Deutschen Handball-Bundes (DHB) schien Spaniens Nationalcoach Juan Carlos Pastor zu sein. Denn mit zunehmender Spieldauer fiel der Bonus des Außenseiters gegen den Turnierfavoriten ins Gewicht. Die Champions aus Barcelona, Valladolid und Ciudad Real ließen sich von einer geschlossen auftretenden deutschen Equipe beeindrucken. Und indirekt spielte auch der psychologische Aspekt eine Rolle, dass sich beide Kontrahenten an das legendäre Viertelfinale bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen erinnerten, das nach einem Siebenmeter-Drama positiv für Deutschland endete. „Claro“, reagierte Juan Carlos Pastor auf die Frage, ob seine physisch überlegenen Männer womöglich ins Grübeln kamen, „claro, es lässt sich nicht ausschließen“. Vielleicht war der Chef aus Valladolid der Einzige, der Hens und Co. diese fulminante Leistungssteigerung zugetraut hatte. „Ja, ich hatte sie stark erwartet, auch wenn sie einige abwesende Spieler haben. Deutschland ist schließlich eine ganz große Handball-Nation, da kommen immer sehr gute Akteure nach“, so Pastor.

Komplimente gab’s selbstverständlich auch von Heiner Brand. Besonders Christian Zeitz, Pascal Hens, Andrej Klimovets und Abwehrspezialist Oliver Roggisch hob er hervor. Doch Überschwang sei trotz einer vorzüglichen Präsentation gegen die „Ochsen aus Spanien“ unangemessen. „Gegen die Slowakei – das ist das wichtigste Spiel überhaupt“, signalisierte Brand bei der Pressekonferenz in Nachbarschaft des noblen Domizils Swissotel Le Plaza.

Am heutigen Samstag (14 Uhr/live im WDR) gelte es, die Basis fürs Weiterkommen zu schaffen. „Die Slowaken sind sehr unangenehm und spielen eine unorthodoxe 6:0-Abwehr“, wies Brand darauf hin, dass sich auch der WM-Dritte Frankreich beim 35:21 über die Slowakei gerade im Positionsspiel schwer getan habe. Ferner bestehe die latente Gefahr, dass seine „Jungs den Gegner im Kopf unterschätzen“ würden. Brands Drohung ans Kollektiv: „Ich werde ihnen den allerkleinsten Rest an Überheblichkeit austreiben.“

Die Spieler selbst vermitteln den Eindruck, dass die Selbst- und Zusammenfindung eines Teams zügig voranschreitet. Florian Kehrmann über das Innenleben: „Es macht tierisch Spaß mit dieser Mannschaft. Wir sind erst einen Monat zusammen, da ist es schon erstaunlich, dass es trotz aller Rivalität keinerlei Streitpunkte gibt.“ Und Oliver Roggisch, gegen Spanien der „Turm in der Schlacht“, nickt zustimmend: Der Spaßfaktor sei gar nicht hoch genug anzusiedeln. „Von den Persönlichkeiten her passt es absolut“, erzählt Roggisch, der mit seinen riesigen Händen energisch zupacken kann und als Rollenspieler Instinkt und Härte segensreich verbindet.

Für Zusammengehörigkeit, Sicherheit und den internen Reifungsprozess innerhalb eines Turniers war das Remis gegen den Weltmeister ein Segen. Jetzt müssen weitere Taten folgen. Mit Handwerk statt Kunst lassen sich auch die athletischen Franzosen am Sonntag (15.15 Uhr/live im ZDF) ärgern. Eine zweite Überraschung würde Kehrmann und Co. noch mehr Spaß bereiten.