HEIKE HOLDINGHAUSEN ÜBER VERDRUCKSTE KAMPAGNEN BEIM THEMA FLEISCH
: Unser tägliches Fleisch

Ein kampagnenfähiges Thema erlaubt es, Verantwortung zu delegieren

Für Umweltverbände und -politiker gibt es gute und schlechte Themen. Ein gutes Thema lässt sich leicht erklären, enthält große Gefahren, benennbare Gegner und umsetzbare Lösungsvorschläge. „Biosprit“ ist solch ein Thema: Dass essbare Pflanzen nicht verbrannt werden sollten, um damit ein paar Kilometer Auto zu fahren, ist einleuchtend. Die Gegner sind – hurra – die landwirtschaftlichen Wirtschaftsverbände und die Autoindustrie. Die Lösung ist einfach: Biosprit abschaffen. Darum fahren die Umweltverbände seit Jahren große Kampagnen gegen Biosprit.

Das Thema „übermäßiger Fleischkonsum“ hingegen ist ein schlechtes Thema. Seine Gefahren lassen sich zwar gut darstellen: Er ist ungesund, führt zu bestialischen Bedingungen in der Tierhaltung, erfordert riesige Flächen, um Futter herzustellen, zudem vergiften Güllemassen Grundwasser und Böden. Aber dann wird es schwierig: Die Gegner sind nämlich die Konsumenten – bei geschätzten ein bis zwei Prozent Vegetariern in Deutschland –, fast alle.

Wenn die Umweltbewegung eines gelernt hat, dann, dass sie sich gegen fast alle nicht stellen darf, will sie nicht als übellaunige Spaßbremse dastehen. Ein kampagnenfähiges Thema erlaubt es, Verantwortung zu delegieren: auf Konzerne oder Regierungen. Forderungen nach Verhaltensänderungen riechen nach Bevormundung. Entsprechend verdruckst geben sich Ökoverbände beim Thema Fleisch.

Es ist es legitim, Biosprit zu kritisieren. Nur verursacht Fleischessen ungleich größere Schäden. Die Wucht der einen Kampagne steht in keinem Verhältnis zur Zahmheit der anderen – Ausnahmen bestätigen die Regel. Vielleicht hat sich deshalb nicht herumgesprochen, dass täglicher Fleischkonsum keine zivilisatorische Errungenschaft ist, sondern das Gegenteil davon.

Wirtschaft + Umwelt SEITE 8