unterm strich
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Was hat die Philosophie eines Søren Kierkegaard mit Lars von Triers Film „Idioten“, mit Jørn Utzons Opernhaus in Sydney, mit der 24-teiligen Fernsehserie „Matador“, mit Carl Barks „Donald Duck“-Zeichnungen gemeinsam? Es sind 5 von 108 Beispielen unverzichtbarer dänischer Leitkultur. Sieben Komitees hatten sich im Auftrag der Regierung ein Jahr lang die Köpfe zerbrochen, diskutiert, sich zerstritten und dann irgendwie auf ihre Hitlisten mit zwölf Werken aus neun kulturellen Bereichen geeinigt. Kulturminister Brian Mikkelsen legte die Schlussfassung nun vor – den „Kanon“. „Ein historischer Tag für das dänische Kulturleben“, verkündete er stolz: „Ein Angebot an alle Bürger, klüger zu werden.“

Mit dem Anspruch, einen „Kulturkampf“ auf allen gesellschaftlichen Gebieten einzuleiten, war die konservativ-rechtsliberale dänische Regierung vor fünf Jahren an den Start gegangen. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts resultierte dies darin, dass man sich an die europäische Scharfmacherspitze reformierte und eine veritable Zweiklassengesellschaft zwischen „uns“ und „denen“ schaffte. Ein „Kulturkanon“ sollte an der kulturellen Flanke diese Grenze zwischen dem „dänischen“ und dem „fremden“ (O-Ton Mikkelsen: Zuwanderer mit „mittelalterlichen Normen“) markieren. Kein Wunder, dass etwa Lars von Trier umgehend gegen diesen Versuch einer „Nationalisierung von Kultur“ protestierte. In kräftig erweiterten Kulturbeilagen wird nun ganz viel über Einzelteile den Kanons diskutiert. (Warum die Verfilmung eines Buches von Martin Andersen Nexø, aber nicht das Buch selbst? Und wo bleibt der dänische HipHop?) Aber erstaunlicherweise ganz wenig darüber, wozu diese Liste dänischer Bauchpinselei eigentlich sinnvoll sein soll. REINHARD WOLFF