Der Wochenendkrimi
: Böse Menschen kennen Lieder

„Polizeiruf 110: Die Mutter von Monte Carlo“, So., 20.15 Uhr, ARD

„Haben wir?“ Ermittler Keller (Jan-Gregor Kremp) wacht mal wieder verkatert neben der Restaurantbesitzerin Sophie Stein (Inga Busch) auf. Die Laken sind zerwühlt, durch die Küche kullern leere Weinflaschen. Die beiden haben trotzdem nicht.

Vor einem Jahr ist der erratische Ermittler Keller das erste Mal im hessischen Polizeiruf in Erscheinung getreten. Damals war er in die alte Heimatstadt Bad Homburg zurückgekehrt, um seinen Vater unter die Erde zu bringen. Seitdem hat er offensichtlich nicht viel auf die Reihe gekriegt. Das Elternhaus ist immer noch nicht verkauft, der Polizist sieht weiterhin den Alten darin herumspuken.

Für Keller ist das Leben ein einziger Kompensationsprozess: Es wird auf höchstem Niveau getrunken und gespeist, emotional ist er eher unterversorgt. Die Geister der Vergangenheit kriegt er auch einfach nicht vertrieben, selbst wenn er sich in dieser zweiten Episode zur eigenen Pianobegleitung die Seele aus dem Leib singt. Auch in dem gemütlichen Puff, der ins schließlich doch noch verkaufte Elternhaus einzieht, stimmt er zur Einweihung ein paar melancholische Lieder an. Am nächsten Morgen liegt er zerknittert unter einer Hure, Sex hat er wohl wieder nicht gehabt.

All die Singerei, mit Verlaub, macht den Zuschauer auf Dauer ganz schön mürbe – auch wenn Regisseur und Autor Titus Selge die Vokaleinlagen recht schlüssig in den Plot integriert hat. Denn Keller trifft hier auf den alten Schulfreund Paul (Gustav Peter Wöhler), mit dem ihn die Liebe zur Musik verbindet. Die beiden versuchen sich mit traditionellem Liedgut aus ihrem trüben Bad Homburger Provinzdasein heraus zu trällern, können aber auch auf diese Weise nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie inzwischen auf unterschiedlichen Seiten stehen. Denn Paul ist in ein Verbrechen verwickelt: Eine alte Dame hat im Casino den Jackpot geknackt, nun ist sie spurlos verschwunden.

Regisseur Selge lässt den Zuschauer über lange Strecken im Unklaren über die genauen kriminellen Verstrickungen und schürt so die Aufmerksamkeit für die schwer zu durchschauenden Figuren – einerseits. Andererseits arbeitet er so viele bizarre Seitenstränge in seine Krimioperette ein und strapaziert dabei übermäßig das Prinzip Zufall, dass man die Protagonisten und ihre obskure Seelenpein schnell wieder aus dem Blick verliert. All das Barmen, Brummen, Jubilieren hinterlässt bei diesem ambitionierten Polizeiruf dann doch nur ein Gefühl der Konfusion und Hysterie. Mein lieber Herr Gesangsverein! CHRISTIAN BUSS