MARTIN REEH ZUM FALL HOENESS
: Die Parallelgesellschaft

Ausgerechnet der größte deutsche Fußballerfolg könnte den Schmuddel wieder hereinbringen

Klaus Zumwinkel war nur Chef der Deutschen Post, als er unter öffentlichem Druck am 15. Februar 2008 zurücktreten musste. Einen Tag zuvor war sein Haus wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung durchsucht worden. Zumwinkel hatte keinen Fußballklub unter sich, erst recht keinen, der mit drei Titeln mal eben Sportgeschichte schreiben kann.

Das Haus von Uli Hoeneß wurde im März wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung durchsucht. Im April wurde das Verfahren gegen ihn bekannt, Anfang Mai beschloss der Aufsichtsrat des FC Bayern, vorerst keine Konsequenzen aus dem Vorfall zu ziehen – auch mit dem Verweis auf die wichtigen Endspiele, vor denen nicht noch mehr Unruhe in den Verein getragen werden sollte. Jetzt, drei Tage nach dem Pokalsieg in Berlin, ist Hoeneß immer noch Bayern-Chef.

Sein Fall wird damit zu einem Test, ob der Fußball, der spätestens mit der WM 2006 hierzulande den Status einer säkularen Ersatzreligion angenommen hat, auch ein eigenes Moralsystem etablieren kann. Ob also Präsidenten des Wirtschaftssubsystems Fußball Straftaten nachgesehen werden, die bei Managern großer Konzerne zur Entlassung führen. Und ob der Erfolg im Fußball alle Mittel heiligt. Bei einem weniger guten Bayern-Jahr, darauf darf man wetten, wäre Hoeneß nicht mehr im Amt.

Am Ende könnte darin die Ironie des Fall Hoeneß liegen: dass ausgerechnet der größte Erfolg des deutschen Fußballs seit Jahren den Schmuddel wieder hereinbringt, den man 2006 hinter sich gelassen glaubte. Am selben Wochenende jedenfalls, als der Weltfußballverband Fifa Beschlüsse traf, die Präsident Blatter eine fünfte Amtszeit ermöglichen, sang eine Hälfte des Olympiastadions: „Uli Hoeneß, du bist der beste Mann.“ Und beste Männer, das ist die Logik der Parallelgesellschaft Fußball, entlässt man nicht.