Ökowald für den Klimaschutz

BIOMASSE Greenpeace fordert, die Ökoflächen in deutschen Forsten auszudehnen. Denn wenn mehr abgestorbene Bäume im Wald bleiben, speichert er auch mehr Treibhausgas

Regierung und Holzbranche wollen noch mehr Biomasse aus dem Wald holen lassen

VON BERNHARD PÖTTER

BERLIN taz | Die Energiewende entscheidet sich auch im Wald. Wenn Deutschland sein Klimaziel erreichen will – minus 40 Prozent Treibhausgas-Ausstoß bis 2020 im Vergleich zu 1990 –, dann muss sich laut Greenpeace auch im Forst etwas ändern. Weil ökologisch bewirtschaftete Wälder „12 bis 40 Prozent mehr Kohlendioxid speichern“ als konventionelle, solle die Waldpolitik auf Ökokriterien ausgerichtet werden. Das ist die Folgerung der Umweltschützer aus der Studie „Der Ökowald als Baustein einer Klimaschutz-Strategie“, die Greenpeace am Dienstag vorstellen will.

Darin untersuchen externe Forstwirte die naturnah bewirtschafteten Wälder in Lübeck, Mölln und Göttingen. Das Grüne an diesen Wäldern: In ihnen wird mehr Totholz im Wald gelassen als sonst, bis zu zehn Prozent des Baumbestands wird als Referenzfläche gar nicht genutzt, schweres Gerät ist verpönt. Als Folge wies etwa der Wald in Lübeck zwischen 25 und 62 Prozent mehr Holz auf als konventionelle Forsten, heißt es, und könne daher mehr Kohlendioxid binden. „Jeder Wald, der sich selbst überlassen ist, dient durch ungebremste Speicherung von CO2 besonders dem Klimaschutz“, sagt Martin Kaiser, Greenpeace-Experte für Wälder und Klima. Das Gutachten befeuert eine aktuelle Debatte: Soll man den deutschen Wald möglichst naturnah werden lassen – oder lieber so viel Biomasse wie möglich anbauen? Der Kohlenstoff könne doch in Produkten gespeichert oder in Holzheizungen klimaneutral verbrannt werden und dabei Gas und Kohle ersetzen. So argumentieren Bundesregierung und Holzbranche, die die Holzproduktion massiv ausweiten wollen. Umweltschützer und viele Forstwirte allerdings widersprechen. Auch das neue Gutachten unterstreicht, eine „Intensivierung der Energieholzproduktion ist weder nachhaltig noch klimaschonend und verfehlt somit das Ziel, die Treibhausgas-Emissionen zu verringern“. Zudem widerspreche es den Zielen des Naturschutzes, wenn Ökosysteme häufiger gestört und schnell wachsende fremde Bäume gepflanzt würden.

Kritisch zum neuen Holzboom hatten sich im vergangenen Jahr bereits der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen (SRU) und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina geäußert. Der SRU hatte angemahnt, auch die Funktion der Wälder als Kohlenstoffspeicher müsse berücksichtigt werden, nicht nur sein wirtschaftliches Potenzial als Holzlager. Und die Leopoldina erklärte, „mit Ausnahme der Nutzung von biogenen Abfällen ist die Verwendung von Biomasse als Energiequelle in größerem Maßstab keine wirkliche Option für Länder wie Deutschland“.

Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass die Speicherkraft der Wälder für Kohlendioxid bereits abnehme. „Die Waldgebiete in Deutschland stehen kurz davor, von einem Speicherort zu einer Quelle für Treibhausgase zu werden“, warnt deswegen Martin Kaiser. Wie in den Forsten in Lübeck oder Mölln sollten die Förster auf „Klasse statt Masse“ setzen und eher Balken für die Baustelle als Holzchips für die Heizung produzieren. Den Neubau von neuen Holzheizungen in Städten oder das Zufeuern von Holz in Kohlekraftwerken lehnt er ab.

In Deutschland ist der Wald in den letzten Jahrzehnten stetig gewachsen. Bislang steht nach Angaben der Schutzgemeinschaft Wald auf 31 Prozent der Landesfläche Wald – über 11 Millionen Hektar, 1 Million mehr als noch vor 40 Jahren. In 130.000 Betrieben arbeiten etwa 1,2 Millionen Menschen. Der Jahresumsatz der gesamten Holz-Papier-Industrie wird auf 180 Milliarden Euro geschätzt.