EU sieht deutsches Energiesparziel in Gefahr

EFFIZIENZ Experten der Europäischen Union melden Zweifel an der deutschen Energiesparstrategie an. Denn Berlin will sich überwiegend Regelungen anrechnen lassen, die schon lange bestehen

BRÜSSEL/BERLIN taz | Hält Deutschland die Klimaschutzziele der EU nur durch Rechentricks ein? Diese Frage, die bisher vor allem Umweltschützer aufgeworfen haben, treibt nun auch die EU-Kommission in Brüssel um. Die EU-Behörde arbeitet derzeit an Leitlinien zur Umsetzung der gemeinsamen Klima- und Energieziele und ist dabei auf Unstimmigkeiten in den Plänen der Bundesregierung gestoßen.

Berlin habe zu Unrecht das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG und die Lkw-Maut auf die Sparziele angerechnet, monieren die Kommissionsexperten in einem internen Arbeitspapier, in dem das Verfahren zur Erreichung der EU-Ziele erläutert wird. Außerdem lägen die deutschen Einsparziele unter dem, was zur vereinbarten Senkung des Energieverbrauchs um 20 Prozent bis 2020 nötig sei.

Brüssel möchte Berlin verpflichten, den Primärenergieverbrauch in den kommenden sieben Jahren auf 251 Millionen Tonnen der Messgröße Rohöläquivalent zu senken. Das sind rund 20 Tonnen weniger, als die Bundesregierung bisher plant. Das Einsparziel müsse durch neue Programme erreicht werden, fordern die Brüsseler Experten. Es reiche nicht, schon bestehende Gesetze wie das EEG einfach auf die Energiebilanz anzurechnen.

Ein Rüffel aus Brüssel droht zwar noch nicht. Der Streit beschäftigt bisher nur die Experten, noch nicht die Politiker. Allzu viel Zeit kann sich die Bundesregierung trotzdem nicht mehr lassen, denn sie ist schon in Verzug: Bereits Ende April hätte Berlin konkrete Pläne zur Energieeinsparung in Brüssel melden müssen. Wegen des in Klimaschutzfragen mittlerweile üblichen Gerangels zwischen Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Umweltminister Peter Altmaier (CDU) kam es jedoch zu Verzögerungen.

Das Wirtschaftsministerium hatte in der Vergangenheit stets versucht, neue konkrete Einsparvorgaben für die Industrie zu verhindern, und stattdessen die Anrechnung bestehender Regeln und Gesetze verlangt. Daran hält man dort bis heute fest. Unter den europäischen Vorgaben könne „eine große Bandbreite von Maßnahmen angerechnet werden“, sagte Sprecherin Tanja Kraus. Einen konkreten Kommentar zu der Brüsseler Kritik lehnte sie ab, weil sich das Papier „noch in interner Abstimmung“ befinde. Das Umweltministerium äußerte sich nicht.

ERIC BONSE, MALTE KREUTZFELDT