Bienenwachs mit Kupfer

Der heilkundliche Aspekt im künstlerischen Schaffen von Josef Beuys. Das museum kunst palast in Düsseldorf zeigt den wichtigsten deutschen Bildenden Künstler als Schamanen, aber auch in Aktion

AUS DÜSSELDORFPETER ORTMANN

Es gibt eine geheime Verbindung zwischen einer handelsüblichen Speisewürz-Flasche und Immanuel Kants „Kritik der reinen Vernunft“ als Reclam-Heftchen. Nicht nur das identische Gelb verbindet die beiden Ready Mades von Joseph Beuys. Ein unsichtbares Gleichnis vermengt die Objekte. Hier die Essenz des Königsberger Philosophieprofessors für Logik und Metaphysik. Auf der anderen Seite das Destillat von Blättern und Blüten des Liebstöckels, mit dem der Schweizer Johann Maggi (1846-1912) zwar aromatisch Kasse machte, das aber ursprünglich als Heilmittel in der Heilkräuterlehre verwendet wurde und wird. Beuys verwendet beides als Fallbeispiel für ein Form von Lebenselixier, das ständig unaufgeregt in der Gesellschaft wirkt. „Ich kenne kein Weekend“ heißt das Doppelobjekt von 1972, schick in Maggi-Rot vom Kunst-Schamanen auf dem Reclamheft gestempelt und signiert.

Im Düsseldorfer museum kunst palast stehen die Instant-Skulpturen gleich am Anfang einer Ausstellungs-Hommage an den Fluxus-Künstler, der vor zwei Jahrzehnten (23. Januar) in der Landeshauptstadt starb. Joseph Beuys wusste nicht nur, wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt, sondern auch, was die Welt im Innersten zusammenhält – die Kunst nämlich. Aber nur, wenn sie nicht als solche betrachtet würde, sondern bis an den vorstellbaren Horizont erweitert das Leben selbst symbolisierte. Die immer gern und platt verwendete Beuys-Formel „Jeder Mensch ist ein Künstler“ schafft deshalb auch nicht Verwertbares für den kapitalisierten Kunstmarkt, sondern verlangt das kreative Arbeiten an sich selbst, als soziale Plastik in einer harmonischen Welt-Gesellschaft. Kein Wunder also, dass es in den letzten Jahren still wurde um sein Werk – wer will schon Plastik sein, wenn es gilt, mit stählerner Faust Kriege zu gewinnen oder an der Börse ohne Arbeit so viel Geld wie möglich zu scheffeln. Doch sein runder Todestag spülte ihn jetzt wieder in viele Museen und alle Medien.

Auf den ersten Blick scheint die Ehrerbietung in Düsseldorf eher für Fachbesucher, Beuys-Jünger und Botaniker konzipiert. „Die Heilkräfte der Kunst“, so der Titel, besteht aus der Sammlung des Aachener Medizinhistorikers Axel Hinrich Murken, der als einer der Ersten eine Verbindung von Kunst und Medizin herstellte – zusammen mit Joseph Beuys 1979. Beuys kannte sich bereits als Schüler in botanischen Zusammenhängen bestens aus, projizierte in seinem Werk später Kräuterwesen und experimentelle Heilkunst auf die Gesellschaft bis hin zur Genesung aller Übel durch spirituelle Selbstverantwortung und direkte Demokratie. Aber auch in mystischen Werken, wie „Die Kreuzschmerzen der Frau“ von 1973: In einer Plastiktüte stecken ein Kamm, ein ovaler Ring aus Packpapier, eine Vulva aus rotem Plastilin und das gleichnamige Lehrbuch des Gynäkologen Heinrich Martius (1885-1965).

Seine künstlerischen Subversionen kosteten Beuys nicht nur den Professoren-Posten an der Düsseldorfer Kunstakademie (verantwortlich dafür war 1978 der damalige NRW-Wissenschaftsminister Johannes Rau), als Mitglied der NRW-Grünen Anfang der 1980er sogar ein Bundestagsmandat. Doch der Künstler arbeitete ungerührt weiter mit nicht gereinigtem Bienenwachs und Schwefel, im Museum, in der Akademie und auf der Straße. Seine Visionen haben eine große Schar von Jüngern produziert. Rund 500 seien am Todestag im Museum gewesen, sagt Museumssprecher Bert-Antonius Kaufmann: „Der alte Spirit auch“.

Der zweite Teil der Ausstellung zeigt Beuys dann fotodokumentarisch „In Aktion“. Welche Konfrontationen er dabei auslöste, kann der Besucher in einem Viertelstunden-Video miterleben. Es zeigt die Vorgänge, als Beuys am 30. Juni 1982 in Kassel aus einer Zarenkrone einen goldenen Hasen („ein Friedenstier als Pendant zu Picassos Taube“) goss und die Volksseele dabei kochte. Ob er eher Politiker oder Künstler sei, wurde Beuys damals gefragt: „Das gibt es nicht, es gibt nur die Kunst“.

Bis 19. März 2006