Graue Koffer gegen das Vergessen

Die Deutsche Bahn soll eine Holocaust-Ausstellung in den Bahnhöfen erlauben, fordert eine Kölner Initiative

Die Installation heißt „Warten auf den Zug“. Unweit des Servicepoints im Kölner Hauptbahnhof wird ein grauer Teppich entrollt, auf dem 15 graue Koffer gestapelt werden. Auf jedem Koffer steht ein Name – von Kölner Juden, die während des Nationalsozialismus per Bahn in die Vernichtungslager deportiert wurden.

An die Beteiligung der Reichsbahn am Holocaust möchte die Deutsche Bahn als Rechtsnachfolgerin lieber nicht erinnert werden. Anders als in Frankreich, wo von 2000 bis 2004 eine Wanderausstellung durch die Bahnhöfe an jene 11.000 jüdischen Kinder erinnerte, die allein aus Frankreich per Zug in den Tod geschickt wurden. Seit mehr als einem Jahr fordern Bürgerinitiativen, Geschichtsinitiativen und jüdische Organisationen eine solche Ausstellung auch auf deutschen Bahnhöfen. Doch ein Vermittlungsgespräch unter Beteiligung von Holocaustüberlebenden lehnte Bahnchef Hartmut Mehdorn ab. Beate Klarsfeld, die Pariser Repräsentantin der Initiative, wurde ans DB-Museum in Nürnberg verwiesen. Nach anfänglich vorgeschobenen Einwänden, die profane Bahnhofsatmosphäre sei dem Anlass nicht angemessen, ließ die Bahn schließlich verlauten, die Ausstellung sei unternehmensschädlich.

Die sture Haltung hat nun anlässlich des Holocaustgedenktages in zahlreichen deutschen Bahnhöfen zu Protestveranstaltungen geführt. In NRW gab es am Freitag im Wuppertaler Hauptbahnhof eine Mahnwache; in Köln überraschte die Initiative „Die Bahn erinnern“ die Bahnverantwortlichen am Samstagnachmittag mit ihrer unangemeldeten Kofferaktion.

Etwa zweihundert Leute haben sich um die Installation versammelt. Ein Streichquartett spielt, VertreterInnen der Kölner Initiative sprechen über die Schicksale hinter den Namen auf den Koffern. Anschließend berichtet die Überlebende Tamar Dreifuss über ihre Deportation im Alter von fünf Jahren, und die Flucht mit der Mutter: „Die Hand meiner Mutter war mein Schutz. Die Hand durfte ich nicht loslassen.“ Bundespolizei, Polizei, und Sicherheitsdienst haben sich am Servicepoint versammelt, greifen aber nicht ein.

Der zweite Teil der Aktion findet auf dem Bahnhofsvorplatz statt. Die Initiative schenkt der Bahn ein Denkmal. In einen 50 Zentimeter hohen Betonsockel ist eine hölzerne Bahnschwelle eingelassen, das andere Ende liegt am Boden auf. Wie zufällig angelehnt liegt sie da. In die Schwelle eingelassen sind Messingschilder, die auf die Beteiligung der Bahn an den Deportationen in die Vernichtungslager hinweist. Der Künstler Gunter Demnig, bekannt durch seine „Stolpersteine“ zum Gedenken an Opfer des Nazi-Regimes, hat die Schilder hergestellt. Simon Gronowski, der am 19. April 1943 mit elf Jahren bei einer Befreiungsaktion aus dem Zug nach Auschwitz springen konnte und so überlebte, sagt in seiner kurzen Ansprache: „Ich bin sehr bewegt, wenn ich sehe, was ihr Leute hier organisiert habt.“

Das Denkmal ist mit Betonkleber auf dem Bahnhofsvorplatz festgeklebt. Gestern stand es noch. Vermutlich nicht mehr lange. CHRISTIAN GOTTSCHALK