Der Kessel brummt

Auch das zehnte Sechstagerennen im Velodrom zieht wieder jede Menge Publikum an – vor allem Radsportfans aus dem Osten können sich für den Sport im Showkostüm begeistern

Im nächsten Jahr beginnen die Sixdays eine Woche früher – damit auch Erik Zabelmitfahren kann

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Die große Jagd beginnt. Das Hauptrennen des Abends wird angeschossen, und beinahe kein Platz im weiten Rund des Velodroms ist frei. Zeit zum Durchatmen für die Mitarbeiter der diversen Gastronomiestände in der Halle an der Landsberger Allee. Jetzt steht der Sport im Mittelpunkt des Interesses beim Berliner Sechstagerennen. Und in der Tat: Nicht wenige der Zuschauer zücken Block und Zettel und notieren Rundengewinne ihrer Lieblingsteams sowie die aktuellen Punktestände. Das sind sie also, jene radsportverrückten Fans, die es Heinz Seesing, dem Veranstalter der Sixdays, so angetan haben.

„Das ist einmalig, das gibt es nur in Berlin“, sagt der mittlerweile 68 Jahre alte Macher einer Erfolgsgeschichte, die in Berlin ihresgleichen sucht. In diesem Jahr finden die Sixdays zum zehnten Mal im Velodrom statt. Und an beinahe jedem Veranstaltungstag ist die Halle proppenvoll. Am Freitag schüttelte Seesing dem insgesamt 666.666. Besucher die Hand und überreichte ihm als Präsent eine Reise nach Paris zum Finale der Tour de France.

Der Erfolgsmanager wird dieser Tage oft nach seinen Erinnerungen an die erste Veranstaltung an der Landsberger Allee gefragt. Dann erzählt er von einem riesigen Loch, das er noch im Sommer 1996 im märkischen Sand bestaunen durfte, und vom kühnen Versprechen der Bauverwaltung, dass alles rechtzeitig fertig werden wird zur geplanten Sixdays-Premiere im darauf folgenden Februar. Das Rennen konnte in der Tat angeschossen werden. Kabel ragten aus den Wänden heraus, etliche Sitzschalen waren nicht oder am falschen Ort montiert und überhaupt sah das Velodrom damals ein wenig zu sehr wie ein Rohbau aus. Dennoch hat Heinz Seesing vor allem positive Erinnerungen, wenn er an seine Berlin-Premiere denkt. Denn die Rennen waren äußerst gut besucht.

Damit hatte Seesing, der zuvor das Bremer Sechstagerennen aus dem Siechtum herausgeführt und zu einer Art Vorzeigeveranstaltung im deutsche Radsportkalender gemacht hatte, nun wahrlich nicht gerechnet. Sieben Jahre zuvor hatten in der Deutschlandhalle die bis dato letzten Sixdays in Berlin stattgefunden. Mangels Zuschauern und mangels finanziellem Erfolg waren sie regelrecht eingegangen. Keine zehn Jahre später erweist sich die Radsportveranstaltung mit angeschlossenem Showprogramm als absoluter Publikumsmagnet.

„Ich bin damals durch die ehemalige DDR gereist, war in Cottbus, in Frankfurt und habe Werbung gemacht für das Rennen“, erinnert sich Seesing, der um die Radsportbegeisterung in den neuen Bundesländern wusste. Bis heute kommen 75 Prozent der Besucher aus Ostberlin und Brandenburg. „Da brauche ich keine Werbung mehr zu machen – ich habe gar keine Plätze anzubieten“, so Seesing. Für die Freitags- und Samstagsveranstaltung im nächsten Jahr habe er schon mehr als 3.000 Kartenbestellungen.

Und dennoch ist Seesing nicht ganz zufrieden mit dem Status quo. Er ist ein wenig neidisch auf die Veranstaltungen, die früher in der Wintersaison liegen. In Dortmund und München wird schon im Herbst gefahren. Dort tut man sich wesentlich leichter, auch populäre Stars des Straßenrennsports für die Winterbahn anzuheuern. Seesing würde seinem Publikum zum Beispiel gerne einmal Erik Zabel präsentieren. Doch der fährt Anfang Februar schon seine ersten Rennen im Freien. Im nächsten Jahr werden die Sixdays eine Woche früher stattfinden, und Seesing rechnet fest mit der Zusage Zabels. „Das wäre das absolute Nonplusultra“, freut sich der Organisator, der seine Veranstaltung durchaus nicht als Selbstläufer sieht. „Sobald Routine einkehrt, hat man schon verloren“, weiß er.