Erfolge am Rande der Wahrnehmbarkeit

HALBZEITBILANZ Teil 1: Diese Woche bilanziert die taz nord zwei Jahre Schwarz-Grün: Eine Vernunftehe, die durch einen gepflegten Umgangston besticht, aber an mangelnden Visionen krankt, findet Marco Carini

Keines der grünen Vorzeigeprojekte konnte bislang umgesetzt werden

Die Flitterwochen sind vorbei, nach zwei Jahren ist in der schwarz-grünen Vernunftehe der Alltag eingekehrt. Wer auf das Koalitions-Pärchen schaut, dem fällt vor allem eins auf: Die Eheleute gehen respektvoll miteinander um, dort, wo Liebe nie war, ist Sympathie eingekehrt. Vor allem das Beziehungs-Management ist ausgereift, und weder der Opposition noch einer schlagzeilenhungrigen Presse gelingt es, einen Keil in die Verbindung zu treiben. Anders als in Berlin, wo Wunschpartner sich erst fanden und nun fetzen, herrscht an der Alster hanseatische Gelassenheit.

Die nach außen dokumentierte Einigkeit aber bewirkt, dass beide Partner Profil eingebüßt haben und Langeweile ausstrahlen. Die CDU hat gegenüber ihrer Wählerschaft vor allem daran zu knabbern, dass sie den auf Drängen der GAL geschlossenen Kompromiss für ein längeres gemeinsames Lernen zur eigenen Sache gemacht hat und Ole von Beust zum entschiedenen Reformbefürworter mutiert ist.

Was notwendig ist, um den Widerstand gegen die Schulreform in den eigenen Reihen niederzuhalten, kostet die Partei massiv Wählerzustimmung. Denn die breite Anti-Reformbewegung um den Juristen Walter Scheuerl rekrutiert sich vornehmlich aus CDU-Wählern, die es ihrer Partei nicht verzeihen, dass sie das Gymnasium um zwei Jahre amputieren will.

Die Grünen hingegen halten sich in den Umfragen noch stabil, doch mehren sich die Anzeichen, dass die Stimmung in ihrer Anhängerschaft zu kippen beginnt. Keines der grünen Vorzeigeprojekte konnte bislang umgesetzt werden: Der Stopp der Elbvertiefung ist gegen die CDU nicht durchsetzbar, keine Kohle aus Moorburg juristisch nicht umsetzbar, die Stadtbahn bis zum Legislaturende kaum sichtbar und nun die Schulreform auf Messers Schneide. Eine Erfolgsbilanz sieht anders aus.

Die von der GAL durchgesetzten Reformen liegen unterhalb der der öffentlichen Wahrnehmungsschwelle oder finden – geräuschlos wie der Koalitionsbetrieb – hinter den Kulissen statt, um den Partner nicht zu öffentlichem Widerstand zu nötigen. Fast ohne Nebengeräusche – aber eben auch ohne erkennbare Visionen – reformiert etwa Justizsenator Till Steffen Gerichtsbarkeit und Strafvollzug, wobei sein Wirken vor allem darin besteht, die Sonderwege der Ära Kusch rückgängig zu machen. Auch die Konfliktteams der Polizei, das Hissen von Regenbogen-Fahnen und dass Kinder illegalisierter Einwanderer zur Schule gehen können, ohne dass ihre Familien gleich auffliegen, sind verdienstvolle, aber wenig schlagzeilenträchtige Innovationen.

Wer einen Ausblick auf die zweite Halbzeit der Legislatur wagt, kommt schnell zu der Prognose, dass für die GAL viel, wenn nicht alles an der Schulreform hängt, auch wenn dieser Kompromiss immer weiter verwässert zu werden droht. Wird der Volksentscheid gewonnen, hat die GAL bewiesen, dass sie kämpfen und siegen kann. Wird er aber verloren, wird GALlionsfigur Christa Goetsch zur Ritterin von der traurigen Gestalt, die nur noch abtreten oder ihre eigene Reform rückabwickeln kann.

Das schwarz-grüne Projekt wäre dann am Volk gescheitert.