Draußen vor dem Grab

GEDENKSTÄTTEN Die Nutzungsrechte für das Grab des Dichters Wolfgang Borchert auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg laufen aus. Alle wollen die Ruhestätte des berühmten Nachkriegsliteraten behalten, aber noch hat sich niemand gefunden, der dafür zahlen will

In Hamburg tobt nicht das erste Mal ein Streit um den Fortbestand einer Promigrabstätte

Von wegen ewige Ruhe. Die Zukunft der Ohlsdorfer Grabstätte des berühmten Dichters Wolfgang Borchert (1921-1947), dessen Heimkehrerdrama „Draußen vor der Tür“ zu den wichtigsten Zeugnissen der deutschen Nachkriegsliteratur gehört, ist offen – seine Nutzungsrechte laufen Ende des Jahres aus. Während überall große Einigkeit besteht, dass das Grab auch in Zukunft erhalten bleiben soll, ist unklar, wer dafür finanziell aufzukommen hat.

Borcherts letzte Verwandte sind kürzlich verstorben und der Friedhof sieht keine Möglichkeit, das Grab aus eigener Tasche zu erhalten. „Wir haben für so etwas keinen Titel“, sagt Friedhofssprecher Lutz Rehkopf. Für die Bepflanzung von Gräbern oder das Reinigen der Grabplatten komme die Friedhofsverwaltung auch bei prominenten Toten „grundsätzlich nicht auf“. Das „verbiete auch die Gebührenordnung“ und zudem entständen sonst schnell Begehrlichkeiten von Angehörigen verstorbener B- und C-Promis, die gerne eine kostenfreie Grabpflege hätten.

Guter Rat ist da teuer – und für Wolfgang Borchert könnte auf dem größten Parkfriedhof der Welt, auf dem 1,4 Millionen Verstorbene ruhen, bald kein Platz mehr sein. Dabei gehört Borchert neben Gustaf Gründgens, Heinz Ehrhardt und Ida Ehre zu den bekanntesten „Bewohnern“ der 391 Hektar großen Parkanlage. Keine offizielle Friedhofsführung, die seine Ruhestätte nicht ansteuerte.

Deshalb kommt für Rehkopf „eine Einebnung“ des Grabs „auch überhaupt nicht in Frage“. Nur zahlen für seinen weiteren Fortbestand, das kann oder will der Friedhof nicht. Um die Grabstelle noch zu retten, wandte sich die „Internationale Wolfgang-Borchert Gesellschaft“ unlängst an Hamburgs Altbürgermeister Henning Voscherau, der wiederum die Senatskanzlei informierte. Dort liegt nun ein Antrag vor, die Ruhestätte in ein so genanntes Senatsgrab umzuwandeln, für dass dann Hamburgs in Zukunft alle anfallenden Unterhaltskosten trägt. 506 solcher Gräber gibt es schon, auch Gründgens, Hebbel und Lessing ruhen bereits auf Staatskosten.

Die Frage aber, wie lange Borcherts Gebeine noch im Erdreich verbleiben, verkommt zur Pfeffersack-Posse: Andere Friedhöfe wie etwa Père Lachaise (Paris), wo Frédéric Chopin, Édith Piaf oder Oscar Wilde ruhen, oder der Dorotheenstädter Friedhof in Berlin, wo Brecht, Fichte und Heinrich Mann begraben sind, haben sich nie eine öffentliche Debatte geleistet, ob ihre prominenten Toten weiter ruhen dürfen.

In Hamburg hingegen tobt nicht das erste Mal der Streit um den Fortbestand einer Prominenten-Grabstätte auf dem zweitgrößten Friedhof der Welt. Als 1996 die Ruherechte für das Grab des 1891 in Hamburg-St.Georg geborenen und 1960 verstorbenen Schauspielers Hans Albers ausliefen, konnte die Friedhofsverwaltung und wollte der Hamburger Senat eine Grabverlängerung nicht zahlen. Um die Ruhestädte zumindest für weitere 25 Jahre zu retten, mussten schließlich private Spender einspringen. Selbst Friedhofs-Sprecher Rehkopf spricht in diesem Zusammenhang von einem „Fundraising“ für Verstorbene.

Das soll diesmal anders laufen: Die Hamburger Kulturbehörde und der Bezirk Nord, in dessen Grenzen der Ohlsdorfer Friedhof liegt, haben sich bereits für den Erhalt der Grabstätte ausgesprochen. Auch Senatssprecherin Kristin Breuer ist „zuversichtlich“, dass sich der Senat bald der Grabstätte annimmt und die Unterhaltskosten übernimmt. MARCO CARINI