Abbruch mit Jobgarantie

Kein Geld, keine Lust, keine Perspektive: Jeder dritte Studierende in NRW verlässt die Hochschule ohne Abschluss. Für viele Firmen sind diese Abbrecher günstige Angestellte mit Qualifikation

VON GESA SCHÖLGENS

In Nordrhein-Westfalen verschwindet jeder dritte Studierende vor dem Abschluss von der Hochschule. „Das kann viele Ursachen haben“ sagt Ralf-Michael Weimar, Sprecher des Wissenschaftsministeriums. Manche Studierende legten nur eine Pause ein oder wechselten die Uni, glaubt Weimar.

Laut Studie des Hochschul-Informationszentrums (HIS) in Hannover gibt es für den akademischen Nachwuchs allerdings handfeste Gründe für einen Abbruch. 17 Prozent der Betroffenen geben finanzielle Probleme an. 16 Prozent erklären dagegen, dass sie sich weder mit ihrem Fach noch mit den damit verbundenen beruflichen Möglichkeiten identifizieren konnten. Nur acht Prozent gaben auf, weil sie sich überfordert fühlten. „Sicher spielen Zukunftsängste oder Störungen wie Depressionen bei einigen auch mit hinein“, erklärt der Psychologe Ludger Lampen, der im Studienbüro der Universität Bochum Abbrecher betreut.

Die Erfolgsaussichten eines Studiums hängen auch von der Fakultät ab. Nach jüngsten Studien des HIS ist bei den Medizinern oder Ingenieuren die Abbruchquote geringer als bei den Geistes- und Sozialwissenschaftlern. Studierenden geht vor allem in den Sprach- und Kulturwissenschaften vorzeitig die Puste aus: 45 Prozent brechen vorzeitig ab. „Geisteswissenschaftler haben eine schwammige Vorstellung von ihrem künftigen Beruf“, erklärt Lampen. Zudem seien Inhalt und Organisation des Studiums an einigen Unis nur unklar umrissen. Mediziner dagegen seien gut informiert und hätten ein klares Berufsziel.

Hilfe für Studienabbrecher soll ein Projekt des Berufsförderungszentrums (Bfz) in Essen bieten. Es vermittelt Abbrechern eine Ausbildungsmöglichkeit – und verspricht sogar eine Jobgarantie. „Studienaussteiger verfügen meist über ganz wichtige Schlüsselqualifikationen“, sagt Projektleiterin Petra Löser. Dazu zählen etwa Arbeitsorganisation, Recherche oder den Umgang mit Datenbanken. Statt wie üblich zwei bis drei Jahre lernen die Azubis nur 15 Monate bis zum Abschluss als Mechatroniker, Fachinformatiker Anwendungsentwicklung, Fachinformatiker Systemintegration, Mikrotechnologe oder Industriekaufmann.

Laut Bfz können die Uniflüchtlinge ihr Fach frei wählen. „Wer Jura studiert hat, kann durchaus im Bereich Betriebswirtschaft einsteigen – sofern das Vorwissen stimmt“, so Löser. Das Essener Berufsförderungszentrum bietet zunächst 25 Plätze an. Billig ist die Maßnahme nicht: Sie kostet 7.500 Euro. „Wer doch keinen Arbeitsplatz bekommt, erhält das Geld zurück“, so Löser.

Viele Arbeitsagenturen und Hochschulen bieten inzwischen spezielle Beratungen für Studienplatzabbrecher an. Auch das Interesse der Wirtschaft ist hoch: So locken unter anderem Ausbildungszentren der Deutschen Bahn, Leonberger Bausparkasse oder Siemens die Studienabbrecher. Auch die Rheinisch-westfälische TÜV Akademie (RWTÜV) in Essen bildet Studienabbrecher aus (siehe Interview). „Solche Angebote der Wirtschaft sind schon sinnvoll“, sagt Ministeriumssprecher Weimar. „Aber natürlich baut die Wirtschaft auch darauf, Studienabbrechern weniger zahlen zu müssen.“

Mit der Einführung der Studiengebühren will Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) die Studenten „zu einem zielstrebigen Studierverhalten anregen“. Das Studienbüro hält die Idee nicht für sinnvoll: „Anstatt finanziellen Druck aufzubauen, sollten die Hochschulen lieber das Studium besser organisieren“, so Lampen. Anreize schaffe man auch durch schnellere Abschlüsse wie den Bachelor.